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RFID - Gläserner Mensch: Teil 2

Ein heisses Eisen zieht seine Kreise durch diverse Diskussionsforen: RFID-Chips (Radio Frequency Identification), die Erben des Magnetstreifen- oder Barcodes, Du weißt schon, dieses schwarz-weiße Streifen-Ding mit den Nümmerchen! Sie könnten in unauffälliger Weise diese Markierung für den Scanner an der Supermarktkasse ersetzen und den Einkauf weniger zeitaufwendig und einfacher gestalten. Denkbar ist auch der Einsatz in Bibliotheken, bei Paket-Diensten, zur Fluggepäck-Identifikation, beim Ticketing und zur Zugangskontrolle.

Der Kunde soll also beim Einkauf seinen dichtgepackten Warenkorb einfach durch eine Durchgangsschranke tragen können, das dort eingebaute Lesegerät scannt kontaktlos die Waren und bucht den Rechnungsbetrag vom Konto des Käufers ab. Der Kunde stünde nicht mehr vor ausverkauften Regalen, das Auffüllen würde zentral koordiniert. Die Einkaufwagen wären mit Displays ausgezeichnet, die sowohl Preise und Herkunftsdaten der Produkte wie auch die günstigste Strecke durch den Supermarkt je nach den Vorlieben des Verbrauchers anzeigen.

Zurzeit steckt die Technik dieser Chips noch in den Kinderschuhen (auch wenn seit den Fünfzigern dran gebastelt wird), bei einigen Geräten stören Metalldosen, bei anderen beispielsweise Wassermelonen die Übertragung. Für die meisten Konzerne faszinieren die Chips bisher also erst als Diebstahlschutz.

Da RFID-Chips beim Einkaufen jedoch nicht nur den Markennamen des Produktherstellers und den Artikeltyp übermitteln würden, sondern meist auch eine weltweit (man höre und staune!) eindeutige Seriennummer, entsteht beim aufgeklärten Verbraucher Misstrauen. Gerade weil auch heute schon beim Bezahlen mit der EC-Karte Kaufgewohnheiten aufgezeichnet werden. Sicher kann man sagen: wer nichts Böses tut, hat auch nichts zu verstecken. Der Kunde selbst vermag nur schwerlich nachvollziehen, was alles über ihn aufgezeichnet wurde, ebenso gibt es kaum verlässliche Methoden, den Chip zu zerstören oder sie wären reichlich zeitaufwendig für den einzelnen Einkaufenden. Sucht man ein wenig herum nach Infos über RFID-Chips, tun sich schnell Abgründe auf.

Einige Impressionen:

- Die Firma RSA Security aus Massachusetts hat einen Blocker-Chip entwickelt, der, in spezielle Einkauftaschen eingearbeitet, die Verbindung zum Lesegerät stört. Er basiert auf der Tatsache, dass das Lesegerät nicht die Nummern aller in der Nähe befindlichen Chips gleichzeitig liest - mit dem sogenannten Singulation Protocol funkt das Lesegerät einzelne Chips nacheinander an, erteilt ihnen eine Sendeerlaubnis und liest dann die gespeicherten Daten aus. Der Störchip nun sendet einen enormen Wust an möglichen adressierbaren RFID-Chips und "überlastet" das Lesegerät quasi durch eine Denial-Of-Service-Attacke. Dies funktioniert jedoch erst bei amerikanischen RFID-Labels.

- Die US-Supermarktkette Wal-Mart hat bereits mit seinen 100 wichtigsten Zulieferern abgesprochen, ab 2005 die Barcodes auf Paletten durch RFID-Chips zu ersetzen. (Nur ein Beispiel, welchen Druck große Firmen dabei auf ihre Zulieferer ausüben!) Dahinter steht offenbar das Smart Active Labels Consortium (SAL-C), das auch Benetton zu ersten Tests veranlasste.

- Firmen wie Gilette, die Tchibo GmbH, Gerry Weber oder die Metro-Gruppe testen bereits die möglichen Einsatzgebiete der RFID-Technik, beispielsweise bei der Lagerorganisation. Die mit einem RFID-Chip ausgestatteten Payback-Kundenkarten hat Metro auf Kritik von Bürgerrechtlern und Datenschutzaktivisten wie FoeBuD e.V., der Attac AG-Wissensallmende, der Grünen Jugend, dem Chaos Computer Club e.V., dem FITUG e.V., dem DVD e.V., der Initiative Stop 1984, dem Netzwerk Neue Medien e.V., der Wau Holland Stiftung, CASPIAN sowie weiteren Organisationen und Einzelpersonen aber wieder umtauschen müssen. Dort konnte man zuvor mittels dieser Kundenkarte Filme vor dem Kauf anschauen, die Chips dienten dabei als Altersverifikation.

- Die Bundesdruckerei stellt auf der diesjährigen CeBIT einen Reisepass mit eingearbeitetem RFID- Chip vor, der einen Schritt in die Richtung des von Bundesminister Schily vorgeschlagenen digitalen Personalausweises darstellt, auf dem biometrische Daten gespeichert sind. Dem Vorschlag der EU-Kommission zufolge soll das Gesichtsbild verpflichtend für Pässe werden, die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten entscheiden darüber hinaus, ob Fingerabdrücke auch gespeichert werden sollen. Die Passkontrolle liefe dann mittels eines "Verifiers", der den Chip in etwa neun Sekunden ausliest und dann den Passbesitzer auffordert, das Gesicht und gegebenenfalls die Finger überprüfen zu lassen.

- Das Unternehmen CYpack präsentiert Medikamentenschachteln mit RFID-Chips, die Patienten- und Versanddaten speichern können. Eine schwedische Uni bastelt sogar an auf RFIDs basierenden Sensoren, die bemerken, wann eine Dosis aus der Packung entnommen wurde - das könnte das Siegel der Zukunft werden!

- Die Chips sind vielfältig einsetzbar, beispielsweise können sie ja nicht nur in der Umverpackung von Lebensmitteln, sondern auch in Kleidungsstücke eingearbeitet werden. Ein Karton lässt sich leicht wegwerfen, die Klamotten jedoch könnte man schwerlich vom Chip befreien ohne Löcher hineinzuschneiden. Abgesehen davon werden Kinderspiele wie Verstecken witzlos ;o) (Wer mag, sucht mal ein wenig herum im Netz zu diesem Thema, es finden sich unglaubliche Beispiele, was die Leute alles in die Mikrowelle stopfen um den Chip zu zerstören. Meist schmort dieser dann die Payback-Karte durch oder der Reißverschluss an der Hose sprüht Funken und der Joghurt-Becher läuft aus - viel Vergnügen beim Mikrowelle-Putzen!)

- Ähnlich wie die schon üblichen Kundenkarten machen RFID-Chips die "Überwachung" des Einkaufsverhaltens leichter und damit auch die gezielte Werbung. Die angeblich kürzesten Routen durch den Supermarkt, die auf dem Display angezeigt werden, können manipuliert werden, ebenso wie die Angaben zur Herkunft beispielsweise des Kaffees.

- Die Lesegeräte könnten in ferner Zukunft auch in Türschwellen oder ähnlichem unauffällig eingebaut werden. Die Lesereichweite beträgt bei passiven Chips (die erst das Signal des Lesegeräts "abwarten" und dann senden, weil sie keine eigene Energieversorgung haben) jedoch nur etwa einen oder zwei Meter, ein Handy beispielsweise kann man jetzt schon leichter orten. Aktive Chips würden theoretisch aber eine größere Reichweite erlauben. In Türschwellen und Durchgangskontrollen aber reicht eine geringe Reichweite aus, wenn die Chips in den Schuhen stecken, dort minimiert die kurze Distanz sogar mögliche Fehlerquellen.

- Gefundenes Fressen für Kritiker der Chips war die Nachricht, beim chinesischen Volkskongress hätten die Delegierten RFIDs in einem Ausweis bei sich führen müssen und wären so - übrigens mit Geräten von Texas Instruments, anscheinend machen die wohl nicht nur Taschenrechner - lokalisierbar und identifizierbar. Andererseits wäre als wirkliches Überwachungsinstrument die Gesichtserkennung per Kamera in ein paar Jahren deutlich effektiver.

- Die private Enterprise Charter School in Buffalo geht mit mutigem Beispiel voran und hat nicht nur Bücher und Laptops mit RFID-Etiketten ausgestattet, sondern auf die sowieso schon vorgeschriebene Plastikkarte mit Foto, Namen und Klasse um einen RFID-Chip erweitert, die alle Angestellten und Schüler tragen. Dasselbe Modell wird vom Pima County Gefängnis in Arizona für die 1600 Inhaftierten und vom Freizeitpark Magic Waters in Illinois für die Besucher verwendet. Die Schüler müssen sich bereits am Schuleingang an einem Touchscreen-Computer ausweisen - auf ähnliche Weise erhält dann auch beispielsweise der Chemielehrer Zugang zu seinen explosiven Unterrichtsmaterialien. Mittels der ID-Nummern und einem Berg Passwörter gelang man in eine Datenbank, in der Daten über jeden Schüler bezüglich seiner Bibliotheks- oder Cafeteria-Benutzung, seine Fehlstunden, Leistungen und seinen Gesundheitszustand zu finden sind. Der Rektor plant sogar ein Kontrollprogramm, um zu überwachen, wann die Schüler den Bus verlassen und ob sie wegen der üblichen ÖPNV-Verspätungen oder aufgrund selbst verursachten Trödelns zu spät sind.

- Umweltschützer warnen vor einem Ansteigen des Elektrosmog angesichts des dann erhöhten Funkbetriebes.

- Wer in der Prada-Boutique im New Yorker Stadtteil Soho Wäsche mit in die Umkleidekabine nimmt, bekommt - dank RFID - auf einem Flachbildschirm Filmchen von Models gezeigt, die die von ihm ausgewählten Stücke vorführen.

- Der Film "Minority Report" zeigt, wie die maßgeschneiderte Werbung der Zukunft aussehen könnte.

- In weiten Teilen Europas könnten restriktivere Datenschutzregelungen als in den USA den Handlungsspielraum der Industrie einschränken - vor allem, wenn es um das Sammeln von Informationen zu Marktforschungszwecken geht. Bisher hat der für den Verbraucherschutz zuständige EU-Kommissar David Byrne allerdings keine eigene Initiative zum Thema RFID gestartet.

- Auch der öffentlichen Sektor testet bereits diese Technologie. Die Stadt Barcelona hat Mülltonnen mit RFIDs ausgestattet. Die Stadtreinigung kann beim Vorbeifahren über ein Lesegerät prüfen, ob ein Eimer geleert werden muss - ohne anzuhalten. Im schottischen Edinburgh wurden Busse mit den Chips ausgestattet. Nähern sich die Fahrzeuge einer Ampel, schaltet diese automatisch auf Grün. Dadurch können diese öffentlichen Verkehrsmittel ihre Strecken zehn Prozent schneller zurücklegen als bisher.

- Das amerikanische Verteidigungsministerium fordert, dass ab 2005 alle Zulieferungen mit einem Funketikett ausgestattet sein müssen. Na ja, immerhin sieht man so, wer Handgranaten klaut ? und Gefallene findet und identifiziert man so auch schneller.

- Kühlschränke könnten "wissen", welche Produkte sie kühlen, und ihren Besitzer auf Verfallsdaten hinweisen, im Internet selbständig Nachschub ordern oder den persönlichen Einkaufszettel, den man am Supermarkteingang erhält, korrigieren. Ob nur dann nicht irgendwann die Krankenkasse Ärger macht und einige Leistungen nicht mehr bezahlt, weil man sich offenbar ungesund ernährt?

Ich denke, diese kleine Auswahl an Informationen zu den RFID-Chips zeigt, dass der Nutzen riesig wäre, es aber notwendig ist und bleibt, mit wachem Auge am Ball zu bleiben und "Big Brother" in seinen Schranken zu halten. Sicherlich brauchen wir nicht der Paranoia zu verfallen, aber die für Privatsphäre des Verbrauchers und den fairen Wettbewerb im Handel gefährlichen Einsatzmöglichkeiten dieser Chips gilt es zu überdenken. Eine konstruktive Lösung stellt offenbar das Positionspapier vom Bielefelder "Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e. V.", kurz Foebud e. v. dar, weitere Informationen gibt es auch bei der US-amerikanischen Verbraucherschützerorganisation CASPIAN.

AutorIn: unbekannt

Sonstige, 20. Februar 2004
Original: http://www.jolt.de/default.aspx?URL=http://www.jolt.de/ArticleArchiv/2004_Maerz/rfId.htm

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