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Ein Oscar für Datenkraken

Den Negativ-Preis Big Brother Award 2003 für bedenkliche Eingriffe in die Privatsphäre der Bundesbürger haben namhafte deutsche Unternehmen sowie öffentliche Institutionen erhalten.

In der deutschen "Big Brother Award"-Jury sind verschiedene Gruppen vertreten, darunter die Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD), der Chaos Computer Club (CCC) und die Internationale Liga für Menschenrechte. Ausrichter ist der Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (Bielefeld).

Der Award für dieses Jahr geht unter anderem an die Deutsche Post und den Internetanbieter T-Online. Auch die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) und die Landesregierungen von Bayern, Niedersachsen, Rheinland- Pfalz und Thüringen wurden am Freitag in Bielefeld für ihren Umgang mit vertraulichen Angaben kritisiert. Der Big Brother Award wird von verschiedenen Organisationen in 17 Ländern verliehen.

Big Brother Awards 2003

Kategorie Arbeitswelt

Laudatorin Rena Tangens: "Die Deutsche Post-Shop-GmbH erhält den Big Brother Award 2003 in der Kategorie Arbeitswelt für ihre Arbeitsverträge mit Post-Agentur-Nehmern in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen. Hierin sollen sich die Agentur-Nehmer pauschal verpflichten, im Krankheitsfall einen von der Deutschen Post-Shop-GmbH bestimmten Arzt von seiner Schweigepflicht zu entbinden."

Kategorie Politik

Laudator Dr. Rolf Gössner: "Der Big Brother Award im Bereich Politik wird verliehen an die Regierungen/Innenminister der Bundesländer Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen weil sie im Windschatten der Terrorismusbekämpfung die Verschärfung ihrer Landespolizeigesetze betreiben und damit drastische Einschnitte in elementare Grund- und Freiheitsrechte einer Vielzahl unverdächtiger Personen einkalkulieren. Bedroht sind insbesondere das Brief- und Fernmeldegeheimnis, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und damit das Recht auf freie Kommunikation ohne Angst vor Repressalien".

Kategorie Verbraucherschutz

Laudatoren Rena Tangens, FoeBuD e.V., und Frank Rosengart, Chaos Computer Club: "Den Big Brother Award in der Kategorie Verbraucherschutz erhält die Metro AG für das Projekt "future store", mit dem die RFID-Technik in Deutschland propagiert werden soll. Der berührungslos auszulesende Chip, der zukünftig den Barcode auf Waren ersetzen soll, birgt große Gefahren für die Privatsphäre der Verbraucher."

Kategorie Lifetime

Laudator Dr. Thilo Weichert, Deutsche Vereinigung für Datenschutz: "Der Lifetime-Award 2003 geht an die Gebühreneinzugszentrale - GEZ für deren unermüdlichen Einsatz bei der bedingungslosen Ermittlung von Schwarzseherinnen und Schwarzhörern. Ohne Rücksicht auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Recht, in Ruhe gelassen zu werden, beschafft sich die GEZ seit Jahren regelmäßig und systematisch Daten von Meldebehörden, von öffentlichen Stellen, von Adresshändlern und äußerst fragwürdigen weiteren Quellen, um Menschen zu finden, die keine Rundfunkgebühren bezahlen, selbst wenn diese an der Nutzung von Hörfunk und Fernsehen kein Interesse haben. Die GEZ und die Gebührenbeauftragten der Rundfunkanstalten sammeln dabei in einem Übermaß Daten, dringen unter Überrumpelung von Menschen in deren Wohnung ein und nötigen die Menschen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zur Offenbarung von eigenen Daten."

Kategorie Regional

Laudator Dr. Fredrik Roggan, Humanistische Union: "Der Regional-Preis des diesjährigen BBA geht an den Innensenator von Berlin, Herrn Dr. Ehrhart Körting für seine mehr als fragwürdige Rechtfertigung des Einsatzes der so genannten "stillen SMS" durch die Berliner Polizei. Er hatte eingeräumt, dass die Bedenken der Datenschützer gegen eine solche Praxis erheblich seien. Man müsse sich aber entscheiden, "ob man die Täter oder die Opfer schützen" wolle (vgl. Drucksache 15/1834). Er setzt sich damit absichtsvoll über die geltende Rechtslage hinweg, die das Versenden solcher "stiller SMS" zur Ortung von Tatverdächtigen eben nicht vorsieht."

Kategorie Behörden/Verwaltung

Werner Hülsmann, FIFF e.V.: "Der Big Brother Award 2003 in der Kategorie Behörden/Staatliche Stellen geht an die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika für die Nötigung europäischer und insbesondere auch deutscher Fluglinien, diversen US-Behörden den Zugriff auf die umfangreichen Buchungsdaten aller Passagiere zu gewähren, die in die USA einreisen oder durch die USA durchreisen wollen."

Kategorie Kommunikation

Laudator Lutz Donnerhacke, FITUG e.V.: "Der BigBrotherAward 2003 in der Kategorie "Kommunikation" geht an die T-Online Aktiengesellschaft für ihre datenschutzwidrige Langzeitspeicherung von Telekommunikations-Verbindungsdaten."

dpa

America Online, Hamburg, 31. Oktober 2003
Original: http://www.aol.de/index.jsp?cid=908910&sg=Computer_Viren

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