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Der Preis ist heiß

Strahlende Gesichter im Blitzlichtgewitter, donnernder Applaus, Lob und Hudel. So geht es jedesmal zu, wenn die berühmtesten Preise dieser Welt vergeben werden. Preise, die wohl jeder gern bekommen würde. Den "Oscar" etwa für filmische Glanzlichter. Den "Grammy" für musikalische Großtaten. Den "Bambi" für Fernseh-Highlights. Den "Pulitzerpreis" für journalistische Höhepunkte. Den "Büchnerpreis" für literarische Schaffenskraft. Oder den "Friedensnobelpreis" für vorbildliches politisches Engagement.

Verkniffene Gesichter in Abwehrhaltung, hämisches Gelächter, Hohn und Spott. So geht es jedesmal zu, wenn die peinlichsten Preise dieser Welt verliehen werden. Preise, die wohl niemand gern bekommen würde. Die "Goldene Himbeere" etwa für miserable Schauspielerei. Die "Saure Gurke" für frauenfeindliche Einstellung. Den "Sprachpanscher" für sprachliche Entgleisungen. Den "Antipreis" für Minusleistungen in Politik und Wirtschaft. Oder den "Plagiarius" für dreiste Markenpiraterie.

Seit geraumer Zeit lobt nun auch die Computerbranche weltweit einen viel beachteten Negativpreis aus. Die "Big Brother Awards" werden alljährlich Personen, Firmen oder Behörden zuerkannt, die sich in besonders unangenehmer Manier um Datenschutz oder Privatsphäre einen feuchten Kehricht scheren. In der Schweiz hat es nun die Firma "Q-Sys" aus St. Gallen erwischt. Das EDV-Unternehmen hat nämlich eine Software entwickelt, die Pflegebedürftige ? ohne dass sie es überhaupt wissen - beim Einzug in ein Altenheim zu gläsernen Bürgern macht. Aus Antworten auf 250 mehr oder weniger intime Fragen ermittelt das System in null Komma nichts den optimalen Pflegeaufwand und die passende Pflegestufe. Heim- oder Pflegedienstleitung müssen nur noch aufs Knöpfchen drücken.

Bis zur Verleihung des "Big Brother Awards" war die Schweizer Altenhilfe voll des Lobes über diese ach so moderne Software und ihre unbegrenzten Möglichkeiten. In Solothurn und Basel-Stadt war das Produkt längst im Einsatz, in Aargau, Bern und Zürich in der Erprobung. Jetzt jedoch macht sich in der Szene Unsicherheit breit. Den guten Ruf nämlich möchte kein Heim aufs Spiel setzen. Als Hort lückenloser Überwachung möchte kein Heim gelten. Und auch eine neuerliche Preisverleihung möchte kein Heim riskieren. Denn so viel steht fest: Der "Altenpflegepreis" würde es vermutlich nicht sein. ...

Dr. Holger Jenrich

Altenpflege, Januar 2003

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