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Die Ehre der Lauscher

Datenschützer verleihen "Big Brother Award" an Bundesjustizministerin und Discounter

Die Frage, wer die größten Verdienste um die nachhaltigste Verletzung der Privatsphäre und um die souveränste Missachtung des Datenschutzes in Deutschland erworben hat, wird Jahr für Jahr auf höfliche Weise beantwortet. Jeden Herbst tritt eine Jury zusammen, berät die einschlägigen Leistungen der diversen unfreiwilligen Kandidaten und gibt schließlich die Gewinner der "Big Brother Awards" bekannt. Der Name des Preises - er wurde dem Überwachungsstaats-Roman "1984" George Orwells entnommen - ist Programm, und Absicht der Jury ist es wohl, die Gewinner spüren zu lassen, was die unerwünschte Herstellung von Öffentlichkeit bedeutet.

Die Frage, wer die größten Verdienste um die nachhaltigste Verletzung der Privatsphäre und um die souveränste Missachtung des Datenschutzes in Deutschland erworben hat, wird Jahr für Jahr auf höfliche Weise beantwortet. Jeden Herbst tritt eine Jury zusammen, berät die einschlägigen Leistungen der diversen unfreiwilligen Kandidaten und gibt schließlich die Gewinner der "Big Brother Awards" bekannt. Der Name des Preises - er wurde dem Überwachungsstaats-Roman "1984" George Orwells entnommen - ist Programm, und Absicht der Jury ist es wohl, die Gewinner spüren zu lassen, was die unerwünschte Herstellung von Öffentlichkeit bedeutet.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries erfährt diesmal die Ehrung. Gewürdigt werde ihr Festhalten am Großen Lauschangriff, obwohl die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Verzicht nahe gelegt hätte, sagt der Berliner Rechtsanwalt Fredrik Roggan, eines von sieben Mitgliedern der Jury, der Repräsentanten mehrerer Datenschutzvereine angehören. In der Kategorie "Behörden und Verwaltung" hat Frank Jürgen Weise von der Bundesagentur für Arbeit die Nase vorn. Er habe, so die Jury, die Auszeichnung verdient wegen der "inquisitorischen" Fragebögen zu ALG II und seiner Unwilligkeit, die Fragebögen vor 2005 datenschutzgerecht zu überarbeiten.

Bemerkenswert sind die Gründe, die in der Kategorie "Arbeitswelt" Dieter Schwarz, dem Patron der Supermarktkette "Lidl", die Big-Brother-Statuette eintragen. Er erhält sie dafür, "dass menstruierende Mitarbeiterinnen in Filialen in Tschechien zum Tragen eines Stirnbands verpflichtet worden sind, damit sie die Toilette auch außerhalb der Pausen aufsuchen durften". Ein Vorwurf, den "Lidl" bestreitet: Es handele sich um eine "bewusst unwahre Behauptung", "diffamierend", "geschmacklos" und ohne "jegliche Grundlage". Weitere Preisträger sind unter anderem Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), Tchibo direkt und Professor Nikolaus Risch, der Rektor der Universität Paderborn. Er lässt angeblich die Hörsäle und Rechnerräume mit Videokameras überwachen. Herzlichen Glückwunsch!

Christian Bommarius

Berlin Online
Original: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/politik/390612.html

© WWW-Administration, 08 Mar 06