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Kommentar

Reale Schnüffelattacke

Von Jörg Schieb

Eigentlich müsste Innenminister Otto Schily ein großer Fan des Real Player sein. Denn auch die populäre Multimedia-Software nimmt es mit Datenschutz und Privatsphäre nicht sonderlich genau. Eine Tatsache, die Real Networks jetzt den Big Brother Award eingebracht hat.

Wissen Sie, was eine GUID ist? Nein? Sollten Sie aber! Denn die so genannte "Global User ID" ist ein wichtiges Werkzeug, unsere Privatsphäre etwas weniger privat zu machen. Die GUID macht unseren eigenen PC zum Schlapphut, zum IM PC sozusagen. Ohne dass wir etwas davon merken, werden wir ausspioniert.

Der Real Player aus der Softwareschmiede Real Networks ordnet jedem Benutzer eine einzigartige GUID zu. So lässt sich jeder einzelne Benutzer zweifelsfrei identifizieren. Theoretisch kann bei jedem angezeigten Video, bei jedem angehörten Musikstück und bei jeder gebrannten CD ein Protokoll angefertigt und an die Firmenzentrale von Real Networks geschickt werden.

"Für die hintergründige Datensammlung" wurde Real Networks daher jetzt der Big Brother Award verliehen. Ein Preis, den Firmen und Personen bekommen, die Datenschutz und Privatsphäre gerne mit Füßen treten.

Auch in der neueste Version des Real Players ist die Funktion enthalten – allerdings ist sie standardmäßig ausgeschaltet. Noch! Denn Real Networks hat in seinen Nutzungsbedingungen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die GUID bei der Registrierung angegeben werden muss. Manche Webanbieter bestehen schon heute auf eine aktivierte GUID. Ohne Identifizierung keine Medien.

Das könnte im Innenministerium auf großes Interesse stoßen. Sie hören gerne Khaled? Das ist verdächtig! Wer der Musik eines Marokkaners lauscht, muss erklären, warum es unbedingt Rhythmen aus dem Orient sein müssen. So macht Rasterfahndung doch Spaß.

Minister Otto Schily dürfte begeistert sein. Warum nicht neben Fingerabdruck, Handflächenmaß und ausgemessener Physiognomie auch noch eine Matrix des Medienkonsums auf dem Pass speichern. "Summen Sie Ihr derzeitiges Lieblingslied!", könnte es dann in Zukunft an der Grenze heißen. Und wehe, Ihnen fällt nicht ein, welches Album Sie im vergangenen Jahr besonders häufig gehört und zwei Mal auf CD gebrannt haben.

Jörg Schieb (36) lebt und arbeitet in der Nähe von Düsseldorf als freier Journalist für Fachmagazine, Publikumszeitschriften und Hörfunk. Daneben ist er Autor zahlreicher Computerbücher.

ComputerChannel, 29. Oktober 2001

© WWW-Administration, 08 Mar 06