Die Rede ist von "staatlicher Repression". In welcher Form und auf welcher Rechtsgrundlage sie heutzutage stattfindet wird hier geschildert. Und vor allem der Frage nachgegangen, was zu machen ist, wenn die Staatsgewalt an die Tuer klopft. Mit diesem Schwerpunkt loest CONTRASTE ein Versprechen ein, welches in der Diskussion um den vorherigen Schwerpunkt "Selbstorganisation von unten" gegeben wurde...
Von Kurt Regenauer aus Portugal - Der Anlass zur Veroeffentlichung dieser Seiten liegt schon laenger zurueck. Im Maerz befand das Redaktionsplenum unserer Zeitung eine Kuerzung der Seite im Schwerpunkt "Selbstorganisation von unten", die sich mit dem Thema "Staatliche Repression" befasste. Die AutorInnen vom "Hoppetosse-Netzwerk" wurden gefragt, ob sie in der Propagierung der Selbstorganisation von Beziehungen zu Organen staatlicher Machtausuebung wirklich so weit gehen wollten, wie sie es in den gekuerzten Stellen getan hatten. Am Ende wollten sie nicht.
Trotzdem dieser Schwerpunkt: wir wollen hier nicht vorgeben, dass unsere Ordnungsbehoerden ein gesteigertes Interesse an alternativer Oekonomie haben. Immerhin steht auch sie ab und an im Visier der Ermittler mit ihrem notorischen Interesse an Finanzen und Beziehungen. Und nicht jeder Zusammenstoss mit den Buetteln staatlicher Gewalt verlaeuft so glimpflich wie der klassische Crash in den achtziger Jahren am Plaerrer Nuernberg, als sich polizeiliche Rotlichtsuender mit Karacho in die Front des CONTRASTE-Golfs bohrten. Die Beamten hatten schlichtweg vergessen, ihr Blaulicht einzuschalten...
CONTRASTE, skurriles und buntes Blatt vieler Szenen, stand schon oefter im Fadenkreuz der Fahnder von VS und Staatsschutz und dies nicht nur deshalb, weil sie eben auch im Knast gelesen wird: "geistige Nahrung!", wie mir ein befreundeter Knacki gerade schrieb. Das freut uns. Es heisst aber auch, dass wir bespitzelt werden, abgehoert werden und immer mal wieder einE RedakteurIn oder AutorIn angequatscht wird, ob er/sie nicht mitspitzeln will. Das ist uns klar und das macht uns zum Thema aeusserst sensibel.
Denn wir leben davon, die Authentizitaet und Qualitaet zu behalten, "geistige Nahrung" bleiben zu koennen. Wir leben daher auch von einem Vertrauensbonus, den uns diverse Szenen entgegenbringen, wenn sie uns informieren. Nur so werden wir glaubwuerdig bleiben koennen.
Nun hat sich einiges enorm geaendert auf dem weiten Gebiet staatlicher Gewaltausuebung in den letzten dreissig Jahren: neben dem Thema "Krieg" ist aber wohl das brisanteste Thema die Verquickung von Staatsgewalt und Medien. Seit Herolds kuehnem Entwurf eines "Sonnenstaates" hat sich hier so einiges getan.
Mit staatlicher Repression ist eben auch gemeint, dass Vater Staat mittels einer neuen, vierten Gewalt, sic: den Medien, massiven Einfluss auf unsere Koepfe und was wir so meinen, ausueben kann. Und das tut er hemmungslos. Da werden Fahndungsfotos in Web gesetzt, weil Jugendliche auf Demos auffaellig geworden sind Ò>?< auf den offiziellen Seiten eines rot-roten Senats, versteht sich (siehe S. 2). Da werden Artikel lanciert und Stimmung gemacht Ò>? ist in Wirklichkeit die Nutzung von Medien als Faelscherwerkstatt, um Stimmung zu machen. Da werden gigantische Abhoeranlagen installiert und Mailverkehr gescannt. Da wird zur Not auch mal rechte Hassmusik produziert und gefummelt und geschummelt.
All dies ist die nicht direkt sichtbare staatliche Repression und auch sie engt den Spielraum fuer Alternativen und ihre kulturellen und sozialen Zusammenhaenge spuerbar ein. Der Schock des deutschen Herbstes 1977, als es mit den Ereignissen in Stammheim und Mogadischu zu einer foermlichen Gleichschaltung fast aller Medien kam, sitzt noch in einigen Koepfen. Volkszaehlungseskapaden taten ihr Uebriges. Die Erkenntnis bleibt: Leben, auch und gerade alternatives Leben, heisst leider immer wieder, Objekt staatlicher Gewaltausuebung zu bleiben.
Repression ist damit weiterhin ein Thema, was uns brennend interessiert. Sie mag mit der Nutzung neuer Medien in einem neuen Gewand daherkommen, aber es entstehen auch neue Mittel zum Widerstand. Wann wird die vom Berliner Senat betriebene elektronische Denunziationsmaschinerie das erste Mal dadurch ad absurdum gefuehrt, dass Hacker die Konterfeis der zu denunzierenden 53 Jugendlichen mit Bildern von Senats->?< und Abgeordnetenhausmitgliedern austauschen? Solche Publikationsmethoden erhalten ihr repressives Geschmaeckle eigentlich auch dadurch, dass sie urspruenglich von rechten Hass-Websites entwickelt wurden und vielleicht auch noch eine gemeinsame Schnittmenge finden koennten. Spaetestens dann wird der Buettel zum Blockwart und die Dienste verzahnen sich in aller Offenheit mit dem braunen Untergrund.
CONTRASTE jedenfalls nimmt dies zum aktuellen Anlass, in diesem Schwerpunkt auch ausfuehrlich ueber die Rechte zu berichten, die jedeR hat, wenn er/sie einst mit der Staatsgewalt konfrontiert wird. Ausserdem haben wir den rot-roten Senat bei der Preisverleihung des Big-Brother-Awards 2003 (www.bigbrotherawards.de) waermstens empfohlen. Auch das ist ein Stueck Widerstand.
Alles in Allem bleibt aber trotzdem unsere Erkenntnis: es mag so manche neue, kreative, witzige und selbstorganisierte Widerstandsform geben. Jene kindische Vorstellung von Selbstorganisation, mensch koenne nach dem Strassenkampf auch ruhig einmal mit der Bullerei eine Pizza essen gehen, ist im Uebrigen gar nicht so neu und "offensiv". Zuletzt wurde sie in den wilden siebziger Jahren von der Fischer-Gang in der "Wir Wollen Alles" (Spontizeitung) vertreten. Jetzt sitzen die in der Bundesregierung. Fuer Anna und Arthur hat sich also gar nicht so viel geaendert.
Doch: sie koennen www.rote-hilfe.de anklicken...
Wir danken der Roten Hilfe Heidelberg fuer die Erstellung unserer Schwerpunktseiten 7 bis 10.
Contraste, November 2002
Original: http://www.kommunikationssystem.de/foren/cl.medien.contraste/%3Cb0re0g$g69$1@kommunikationssystem.de%3E.html