MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der "Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs" Foebud hat die Big-Brother-Awards für das Jahr 2004 verliehen. Die Auszeichnungen, die bereits zum fünften Mal in Deutschland vergeben wurden, gehen an "Firmen, Organisationen und Personen, die in besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen oder persönliche Daten Dritten zugänglich machen". Unglückliche Gewinner sind dieses Jahr: Justizministerin Brigitte Zypries ("Großer Lauschangriff"), Gesundheitsministerin Ulla Schmidt ("Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung"), die Nürnberger Bundesagentur für Arbeit ("Antragsformular ALG II/ Langzeitarbeitslose"), die Universität Paderborn ("Video-Überwachung von Rechnerräumen und Hörsälen"), die Supermarktkette Lidl ("Überwachung von Filialen"), die Firma Armex ("Handy-Ortungsdienst Track your Kid") sowie Tchibo direkt ("Weitergabe von Kundendaten über Dritte").
In der Kategorie Technik siegte der Elektronikkonzern Canon, weil seine Geräte Farbkopien mit einer - ohne technische Hilfsmittel unsichtbaren - Kennnummer versehen, so die Begründung der Jury. Dieses optische Merkmal ermögliche es, das jeweilige Kopiergerät zu identifizieren, auf dem die Kopie angefertigt wurde. Das Verfahren soll von Canon bereits seit Jahren angewendet worden sein. "Was für die Strafverfolgung noch gerechtfertigt erscheinen mag", hieß es im Manuskript der Laudatio für den Sieger, "ist eine Gefahr für die Informationsfreiheit".
In der Jury für den Big-Brother-Award sitzen unter anderem die Internationale Liga für Menschenrechte (ILMR), der Chaos Computer Club (CCC) und die Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD). Zu den Preisträgern des Vorjahres hatten auch die Bundesländer Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen gezählt. Sie würden im Windschatten der Terrorismusbekämpfung die Verschärfung ihrer Landespolizeigesetze betreiben und damit drastische Einschnitte in elementare Grund- und Freiheitsrechte einer Vielzahl unverdächtiger Personen einkalkulieren, lautete 2003 die Begründung. Ausgezeichnet wurde im Vorjahr auch die Metro AG für den Einsatz von RFID-Funketiketten in ihrem "Future Store" sowie die Gebühreneinzugszentrale GEZ, so zusagen für ihr Lebenswerk. Davor waren beispielsweise die Bonussysteme Payback (Loyalty Partner) und Happy Digits (Deutsche Telekom) für das Sammeln von Kundendaten ausgezeichnet worden. (ajf)
Computerwoche, 30. Oktober 2004
Original: http://www.computerwoche.de/index.cfm?pageid=254&type=detail&artid=66929