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Versicherungswirtschaft erhält Negativpreis Big Brother Award

„Schwarze Liste“ zu Schadensfällen – Minister wegen Anti-Terror-Datei kritisiert

Bielefeld (epd). Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft ist mit dem „Big Brother Award“ in der Kategorie Verbraucher ausgezeichnet worden. Der Verband erhalte den Negativpreis, weil er eine Datei unterhalte, in der ohne rechtliche Grundlage und ohne Wissen der Betroffenen Daten von Millionen Bürgern gespeichert würden, teilte der Verein zur Förderung des bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBud) als Stifter mit. Die Awards wurden in mehreren Kategorien am 20. Oktober in Bielefeld verliehen. Der Verein verleiht die Negativpreise jährlich, um auf den missbräuchlichen Umgang mit Technik und Informationen hinzuweisen.

Die Datei namens „Uniwagnis“ sei eine schwarze Liste, in der alle Personen landeten, die von einer Versicherung als „schlechtes Risiko“, also als weniger lukrative Kunden eingestuft worden seien, hieß es weiter. In der Datei vermerkt werde jeder, der in irgendeiner Form an einem Schaden beteiligt gewesen sei, bei dem der Verdacht auf Versicherungsbetrug bestehe. Allerdings müsse der Betrug nicht nachgewiesen sein, teilte der FoeBud weiter mit. Um in der Datei zu landen, reiche es unter Umständen sogar aus, lediglichals Zeuge bei einem Autounfall in Erscheinung getreten zu sein.

Der „Big Brother Award“ in der Kategorie Politik ging an die Abgeordneten des 4. Landtags von Mecklenburg- Vorpommern, also an den Landtag in der Zusammensetzung vor der Wahl am 17. September. Die drei damals im Landtag vertretenen Fraktionen von SPD, PDS und CDU hatten einem Gesetz zugestimmt, dass das Abhören und Aufzeichnen von Gesprächen auf öffentlichen Plätzen, in öffentlichen Gebäuden und in öffentlichen Verkehrsmitteln erlaubt. Genau wie die allgegenwärtige Videoüberwachung könne das Risiko, belauscht zu werden, Menschen bei der freien Meinungsäußerung und der Entfaltung ihrer Persönlichkeit behindern, urteilte der FoeBud.

Ebenfalls einen Award in der Kategorie Politik erhielt die Innenministerkonferenz der Länder, vertreten durch deren Vorsitzenden, den bayerischen Innenminister Günter Beckstein (CSU). Der Beschluss der Konferenz, eine Anti-Terror-Datei einzurichten, führe auf elektronischem Weg zu einer „sicherheitspolitischen Wiedervereinigung“ von Polizei und Geheimdiensten, so der FoeBud.

Fast 40 Sicherheitsbehörden von Bundesnachrichtendienst über Bundespolizei bis hin zu Landeskriminalämtern sollten Zugriff auf personenbezogene Daten von „Terrorverdächtigen“ und deren Kontaktpersonen erhalten. Mit der „gemeinsamen Verdachtsdatei“ werde die strikte Trennung von Polizei und Geheimdiensten als eine wichtige demokratische Lehre aus der deutschen Vergangenheit weitgehend entsorgt, kritisierte der FoeBud.

In den vergangenen Jahren erhielten unter anderem die GEZ (epd 88/03), das LKW-Mautsystem TollCollect, der Software-Konzern Microsoft und der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily (epd 87/05) den Negativpreis.

pressedienst Evangelischer Pressedienst, Frankfurt a.M., 25. Oktober 2006
Original: Nicht bekannt

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