Kennen Sie den "Big Brother Award"? Den vergibt ein Verein in Bielefeld seit 10 Jahren als Oscar für Datenkraken: Der Preis geht alljährlich an Firmen, Organisationen und Personen, die in besonderer Weise die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen - so auch wieder am vergangenen Freitag.
Am spannendsten war die Kategorie "Arbeitswelt". Mit diversen Überwachungsskandalen hatten sich gleich einige große Unternehmen für einen Award qualifiziert. Darunter Lidl, die Deutsche Bahn, die Post und die Telekom. Ausgezeichnet wurde schließlich der Landmaschinen-Bauer Claas. Er hatte ein satellitengestütztes System entwickelt, mit dem sich Mähdrescher überwachen lassen.
In der Kategorie "Sport" gewann das Organisationskomitee der Leichtathletik-WM in Berlin. Wer als Journalist im Sommer vor Ort der WM berichten wollte, musste einer umfassenden Sicherheitsüberprüfung zustimmen. Das ist nach Ansicht der Jury schwer mit der im Grundgesetz geregelten Pressefreiheit in Einklang zu bringen und hat manche Zeitung davon abgehalten zu berichten, wie Artikel aus jener Zeit zeigen.
In der Kategorie "Politik" wurde Noch-Familienministerin Ursula von der Leyen für ihre führende Rolle bei einer Gesetzesinitiative zur Sperrung von Internetinhalten ausgezeichnet. Das Gesetz sei für den vorgesehenen Zweck - die Sperrung kinderpornographischer Inhalte - untauglich und kontraproduktiv. Zudem, so die Jury, sei für die Sperren eine Technik nötig, mit der sich auch andere Websites kontrollieren und zensieren lassen.
In der Kategorie "Wirtschaft" konnten sich die Veranstalter in diesem Jahr auf keinen einzelnen Gewinner einigen. Ausgezeichnet wurden daher gleich acht Firmen, die Überwachungstechnik für Internet und Telefon anbieten, dabei aber am liebsten im Verborgenen bleiben möchten.
Ein Big Brother Award für sein Lebenswerk erhielt der derzeitige Innenminister Wolfgang Schäuble - für seine "obsessiven Bestrebungen, den demokratischen Rechtstaat in einen präventiv-autoritären Sicherheitsstaat umzubauen". Hui.
Jaerg-Olaf Schaefers
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 18. Oktober 2009
Original: Nicht bekannt