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PRIVATSPHÄRE

Unsichere Kandidaten

Die Preisanwärter für den jährlichen Big Brother Award stehen unter Verdacht, ihre Nutzer womöglich auszuspionieren

Nie mehr allein!Hinter verschlossenen Tueren! Abholen will den Preis keiner. Seit einem Jahr wartet der erste deutsche Big Brother Award im Schaufenster der Bielefelder Galerie Art d'ameublement auf den Hauptgewinner. Die Chefs der Firma Loyalty Partner, besser bekannt als Macher des Kundenbonusprogramms Payback, erschienen nicht zur Siegerehrung. Kein Wunder, denn die Anti-Auszeichnung erhalten nur dreiste Datendiebe.

Staatliche Institutionen und Unternehmen, die die Privatsphäre verletzen, ihre Kunden ausspionieren, Überwachungssysteme installieren oder private Daten ungenügend sichern - das sind die Kandidaten für den Big Brother Award. Am 26. Oktober verleiht der Bielefelder Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBuD) die Preisskulptur zum zweiten Mal. 90 mögliche Nicht-Abholer hat die achtköpfige Jury im Visier. Potenzielle Preisträger sind unter anderem die TV-Sender ZDF, RTL, Pro Sieben, die Versandhäuser Quelle, Otto und Neckermann - und das Bundeswirtschaftsministerium.

Grüße vom Großen Bruder. Die geplante Telekommunikationsübenwachungsverordnung (TKÜV) fuchst die Datenschützer besonders. Im Kampf gegen Kriminelle will Bundeswirtschaftsminister Werner Müller private E-Mails durchforsten und ausspionieren, für welche Web-Inhalte sich verdächtige Surfer interessieren. Gerhard Kongehl, Vorsitzender des Berufsverbands der Datenschutzbeauftragten, warnt vor der weit reichenden Kontrolle: "Da werden flächendeckend Daten gesammelt, ohne dass man weiß, ob das wirklich der Kriminalitätsbekämpfung dient."

Nutzerdaten erschnüffelt angeblich auch das ZDF. Auf den Seiten des News-Dienstes heute.t-online sollen Web-Bugs lauem. Die digitalen Spione verfolgen, welche Web-Seiten der Surfer besucht. "Wir machen in dieser Richtung definitiv nichts. Das ist blanker Unsinn", wettert Robert Amlung, Redaktionsleiter von heute.t-online.

Nicht schuldig, darauf plädiert auch Quelle-Sprecher Erich Jeske. Dem Versandriesen wirft FoeBuD vor, Daten an Dritte weiterzuleiten, ohne die Verbraucher ausreichend darüber zu informieren. "Unsere Kunden können jeder-zeit sagen, dass sie das nicht wollen", verteidigt sich Jeske.

Den Big Brother Award wird vermutlich auch am 26. Oktober niemand abholen. Aber nach der Preisverleihung Im vergangenen Jahr trafen sich Preisträger Payback und FoeBuD laut Payback-Sprecherin Nina Purtscher "zu sehr konstruktiven Gesprächen".
CATHRIN GÜNZEL./JÜRGEN CHRIST

FOCUS, 22. Oktober 2001

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