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Big Brother Awards

Anti-Preise für Apple, Facebook und Daimler

Facebooks Datensammlung, Apples Datenschutzbestimmungen und flächendeckende Bluttests bei Daimler: Die Datenschutzskandale des Jahres werden mit den Big Brother Awards ausgezeichnet.

Politiker, Behörden und Unternehmen: Vor der zweifelhaften Auszeichnung mit dem Big Brother Awards ist niemand sicher. Dieses Jahr erhalten den Antipreis gleich mehrere namhafte Firmen – Daimler, Apple und Facebook. In der Kritik stehen außerdem der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann und die Volkszählung 2011, Zensus genannt. Sie alle bekommen den Big Brother Award, weil sie sich nach Meinung von Bürgerrechtlern gegen den Datenschutz versündigt haben.

Es geht dabei um Informationssammlungen aller Art, aber auch um Datenschutzbestimmungen sowie um eine nach Meinung der Preisverleiher fragwürdige Überwachungen der Bürger. Vergeben wird der Anti-Preis jedes Jahr vom Bielefelder FoeBuD – dem „Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs“.

Spöttische und scharfe Kritik

In den Begründungen für die acht vergegeben Awards werden die Preisträger aus der Politik scharf kritisiert – aber auch spöttisch aufs Korn genommen. Daimler erhält den Award in der Kategorie „Arbeitswelt“ stellvertretend für andere Unternehmen, weil der Konzern laut FoeBud flächendeckend Bluttests von den Produktionsmitarbeitern fordert. Das nennt der Verein eine „Form von modernem Vampirismus“, die ohne Rücksicht auf Persönlichkeitsrechte erfolge – und meist, ohne arbeitsrechtlich erforderlich zu sein.

Die beiden US-Konzerne Apple und Facebook bekommen Anti-Preise in der Kategorie „Kommunikation“- ebenfalls mit ironischen Seitenhieben der Jury. In der Begründung für die Auszeichnung von Apple heißt es: „Wer sich für mehrere hundert Euro ein schickes neues iPhone oder iPad gekauft hat, will es auch nutzen. Die Kunden haben quasi keine Wahl, den 117 iPhone-Display-Seiten mit Datenschutzbedingungen nicht zuzustimmen, denn sonst könnten sie ihr teures Gerät maximal zum Telefonieren nutzen.“ Die Lokalisierungs- oder Standortdaten der Nutzer würden von App-Betreibern und Werbekunden genutzt, um speziell zugeschnittene Werbung zu platzieren, heißt es.

„Gezielte Ausforschung von Menschen“

Das Online-Netzwerk Facebook bekommt den Award laut Jury-Begründung „für die gezielte Ausforschung von Menschen und ihrer persönlichen Beziehungen hinter der netten Fassade eines vorgeblichen Gratisangebots.“ Der Zugriff auf die Daten sei auch für für Geheimdienste möglich, eine Löschung nicht vorgesehen. Das Fazit von FoeBud: „Mit Facebook wuchert eine Art zentrale „Gated Community“ im Netz, in der Menschen auf Schritt und Tritt beobachtet werden. Hier herrscht die Willkür eines Konzerns und der verdient mit systematischen Datenschutzverstößen Milliarden.“

Auch Behörden und Politiker verschont der FoeBud nicht. In diesem Jahr erhält den Anti-Preis in der Kategorie Politik der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) für den „ersten nachgewiesenen polizeilichen Einsatz einer Mini-Überwachungsdrohne bei politischen Versammlungen“. Laut Verein haben diese Drohnen bei den Demonstrationen gegen den Castor-Transport im Wendland im November 2010 Demonstranten heimlich ausgespäht und kontrolliert.

„Zensus 2011“ in der Kritik

In der Kategorie „Behörden und Verwaltung“ zeichnet die Big-Brother-Awards-Jury Gert G. Wagner aus. Der Vorsitzende der Kommission für die als „Zensus2011“ bezeichnete Volkszählung erhält den Preis stellvertretend für alle Beteiligten. Der Grund: Bei der Zählung werden „Daten aus Melderegistern, von der Bundesagentur für Arbeit und bundesbehördlicher Arbeitgeber zweckentfremdet, ohne dass die Betroffenen rechtzeitig und ausreichend darüber informiert werden oder dem widersprechen könnten.“

Die Big Brother Awards werden in diesem Jahr zum elften Mal vergeben. Organisiert werden sie vom FoeBud-Verein, beteiligt sind unter anderem auch der Chaos Computer Club, die Deutsche Vereinigung für Datenschutz, die Humanistische Union und die Internationale Liga für Menschenrechte. In den vergangenen Jahren wurden unter anderem der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble für sein Lebenswerk, Rabattkarten, Mautkameras, Anti-Terror-Gesetze und Handy-Überwachung angeprangert.

Die Preisträger im Überblick mit Begründungen der Jury

Arbeitswelt: die Daimler AG in Stuttgart (stellvertretend) Der Big Brother Award 2011 in der Kategorie Arbeitswelt geht an die Daimler AG in Stuttgart für die Praxis, flächendeckend Bluttests von ihren Produktionsmitarbeitern zu fordern. Diese Form von modernem Vampirismus erfolgt ohne Rücksicht auf Persönlichkeitsrechte und meist ohne arbeitsrechtlich erforderlich zu sein. (...)

Arbeitswelt: der Deutsche Zoll Der Big Brother Award 2011 in der Kategorie Arbeitswelt geht an den Deutschen Zoll. Dieser lässt sich vom russischen Staat instrumentalisieren, indem er von deutschen Unternehmen verlangt, ihre Beschäftigten mit russischen Antiterrorlisten abzugleichen. Diese Listen werden auf der Grundlage eines vertraulichen russischen Gesetzes vom Geheimdienst FSB (ehemals KGB) erstellt. (...)

Behörden und Verwaltung: Professor Gert G. Wagner, Vorsitzender der Zensuskommission (stellvertretend) Der Big Brother Award 2011 in der Kategorie „Behörden und Verwaltung“ geht an den Vorsitzenden der Zensuskommission Herrn Prof. Dr. Prof. Dr. Gert G. Wagner für die als „Zensus2011“ bezeichnete Vollerfassung der Bevölkerung Deutschlands. Er erhält diesen Negativpreis stellvertretend für alle Beteiligten. Mit der aktuellen Volkszählung werden sensible Persönlichkeitsprofile von über 80 Millionen Menschen erstellt, die bis zu vier Jahre nach dem Stichtag am 9. Mai 2011 personenbezogen verfügbar sind. (...)

Verbraucherschutz: Verlag für Wissen und Information in Starnberg Der Big Brother Award 2011 in der Kategorie Verbraucherschutz geht an den Verlag für Wissen und Information in Starnberg für das Sammeln von Adressen als Gegenleistung für Büchergutscheine. Der „Verlag“, von dem man im Buchhandel gar keine Bücher kaufen kann, der aber Geschäftsbeziehungen zu einem Vitaminpillenhersteller und Finanzdienstleistern unterhält, lässt Schulen in seinem Namen Büchergutscheine an Kinder verteilen. Die „Geschenke“ bekommt man aber nur, wenn man Namen und Anschrift des Kindes und mindestens eines Elternteils zurück meldet. (...)

Politik: der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) Der Big Brother Award 2011 in der Kategorie „Politik“ geht an den Niedersächsischen Innenminister Uwe Schünemann (CDU) für den ersten nachgewiesenen polizeilichen Einsatz einer Mini-Überwachungsdrohne bei politischen Versammlungen. Während der Demonstrationen und Protestaktionen gegen den Castor-Transport im Wendland im November 2010 haben insgesamt vier Mal so genannte „fliegende Augen“ die Demonstranten heimlich ausgespäht und kontrolliert. (...)

Technik: die Modemarke Peuterey, vertreten durch die Düsseldorfer Modeagentur Torsten Müller Der Big Brother Award 2011 in der Kategorie „Technik“ geht an die Modemarke Peuterey, vertreten durch den deutschen Vertreiber, die Düsseldorfer Modeagentur Torsten Müller. Peuterey erhält diese Negativ-Auszeichnung, weil sie Kleidung mit verdeckt integriertem RFID-Chip in Verkehr bringt, der berührungslos auslesbar ist, ohne dass die Kunden das bemerken. (...)

Kommunikation: Facebook Deutschland Der BigBrotherAward 2011 in der Kategorie „Kommunikation“ geht an die Facebook Deutschland GmbH für die gezielte Ausforschung von Menschen und ihrer persönlichen Beziehungen hinter der netten Fassade eines vorgeblichen Gratisangebots. Die gesammelten Daten speichert Facebook in den USA – Zugriff für Geheimdienste möglich, Löschen nicht vorgesehen. Per „Freundefinder“ und „Handy-App“ eignet sich Facebook Telefonnummern und Mailadressen aus den Adressbüchern der Nutzer an. Der „Gefällt-mir“-Button auf fremden Webangeboten verpetzt auch ohne Anklicken alle Besucher der Seite an Facebook. (...)

Kommunikation: Apple Ein weiterer BigBrotherAward 2011 in der Kategorie „Kommunikation“ geht an die Apple GmbH in München für die Geiselnahme ihrer Kunden mittels teurer Hardware und die darauf folgende Erpressung, den firmeneigenen zweifelhaften Datenschutzbedingungen zuzustimmen. Wer sich für mehrere hundert Euro ein schickes neues iPhone oder iPad gekauft hat, will es auch nutzen. Die Kunden haben quasi keine Wahl, den 117 iPhone-Display-Seiten mit Datenschutzbedingungen nicht zuzustimmen, denn sonst könnten sie ihr teures Gerät maximal zum Telefonieren nutzen.

Claudia Frickel

Focus Online, München, 01. April 2011
Original: http://www.focus.de/digital/multimedia/tid-21837/big-brother-awards-anti-preise-fuer-apple-facebook-und-daimler_aid_613870.html

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