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Apple, Google, BEZ und die Post bekommen Big Brother Awards 2013

weiter Seite 1 / 2 „BEZ verarbeitet viel mehr Daten als die GEZ“

Mitarbeiterüberwachung bei Apple, Datensammelwut bei Google und Adressverkauf bei der Deutschen Post: Wegen eklatanter Mängel beim Datenschutz hagelt es wieder die Negativpreise Big Brother Awards.

Die Auszeichnung mit dem Big Brother Awards ist keine Ehre. Den Preis bekommen Behörden, Unternehmen oder Politiker, wenn sie sich nach Meinung von Bürgerrechtlern gegen den Datenschutz versündigt haben.

Im vergangenen Jahr erhielten Politiker und unbekanntere Firmen den Preis. Dieses Mal stehen wieder große Unternehmen am Pranger – Politiker werden verschont. Es geht um Mitarbeiterüberwachung sowie Daten- und Adresssammelwut bei Apple, Google und der Deutschen Post.

Aber auch die Bundespolizei bekommt einen Big Brother Award, weil sie „Personen aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes (Hautfarbe oder andere phänotypische Merkmale, ethnische Zugehörigkeit, nationale Herkunft, Religion, Sprache) gezielt aus einer Menschenmenge herausgegriffen (hat), um ihre Personalien festzustellen und sie zu überprüfen“, schreibt der Bielefelder Verein Digitalcourage e.V. Er vergibt den Anti-Preis jedes Jahr, früher unter dem Namen FoeBuD (Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs).

Scharfe Kritik In den Begründungen für die in sechs verschiedenen Kategorien vergebenen Awards werden die Preisträger scharf kritisiert. Den Big Brother Award in der Kategorie Arbeitswelt erhält Apple. Digitalcourage wirft dem Unternehmen vor, in seinen Läden die Mitarbeiter „umfassend“ per Video zu überwachen – nicht nur in den Verkaufs-, sondern auch in den Pausenräumen. Diese „Totalkontrolle“ bezeichnet der Verein als „rechtswidrig“.

„Ausgezeichnet“ wird auch ein weiterer US-Konzern: Der Suchmaschinengigant Google wird angeklagt, „Echtzeit-Daten über alles und jeden“ zu sammeln und Menschen für den Werbeprofit „zu kategorisieren“.

Aber auch deutsche Firmen sind betroffen. Die Deutsche Post bekommt eine „Auszeichnung“, weil sie Adress- und Umzugsdaten von Kunden verkauft. In der Kategorie Behörden bekommt die Bundespolizei ihr Fett weg. Bei Behörden und Verwaltung „ehrt“ der Verein Digitalcourage ARD, ZDF und Deutschlandradio für ihren gemeinsamen Beitragsservice (BEZ) als Nachfolger der GEZ. Seit Januar werden die Rundfunkbeiträge nicht mehr für Geräte, sondern pro Person erhoben. Doch dabei wurde „die Chance verpasst, eindeutige, personenunabhängige Regelungen zu entwickeln“, meint der Verein. Es würden nun „sogar viel mehr Daten als zuvor“ bei der GEZ verarbeitet.

Schäuble, Facebook und Mautkameras

Die Big Brother Awards werden in diesem Jahr zum 13. Mal vergeben. Organisiert werden sie vom Verein Digitalcourage, früher Foebud. Beteiligt sind unter anderem auch der Chaos Computer Club, die Deutsche Vereinigung für Datenschutz, die Humanistische Union und die Internationale Liga für Menschenrechte. In den vergangenen Jahren wurden unter anderem der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble für sein Lebenswerk, Rabattkarten, Facebook, Mautkameras, Anti-Terror-Gesetze und Handy-Überwachung angeprangert. Die Preisträger im Überblick mit Begründung der Jury finden Sie auf der folgenden Seite.

Arbeitswelt: Apple Retails

Der BigBrotherAward 2013 in der Kategorie Arbeitswelt geht an die Apple Retails Germany GmbH & Co in München für die umfassende Videoüberwachung von Beschäftigten. Das Unternehmen betreibt die Apple Stores in Deutschland. In diesen sollen nicht nur Verkaufs- und Lagerräume flächendeckend und dauerhaft per Kamera überwacht werden, sondern auch Pausenräume. Diese Form der Totalkontrolle von Beschäftigten ist in Deutschland rechtswidrig. Mangelhaft sind darüber hinaus die kaum handgroßen Hinweisschilder, durch die Kunden über die Totalkontrolle ihres Einkaufsverhaltens informiert werden.

Globales Datensammeln: Google

In der Kategorie „Globales Datensammeln“ geht der BigBrotherAward an Google Inc., Mountain View, USA. Unter dem Deckmantel einer Suchmaschine und anderen Gratis-Diensten wie Maps, Docs und Youtube sammelt der Werbekonzern Google auf Schritt und Tritt Echtzeit-Daten über alles und jeden und kategorisiert Menschen für seinen Werbeprofit. Google missachtet europäisches Recht und nutzt seine marktbeherrschende Stellung, um die technokratische Ideologie eines allwissenden Supercomputers voranzutreiben, der besser weiß, was Menschen wollen als sie selbst.

Wirtschaft: Deutsche Post

Der BigBrotherAward 2013 in der Kategorie Wirtschaft geht an die Deutsche Post Adress GmbH und Co KG. In tausenden Postfilialen und im Internet geben jährlich Millionen Menschen in Deutschland Ihre Adress- und Umzugsdaten an. Diese bilden den Grundstock für die ständige Aktualität des Adressdatenbestands der Deutschen Post Adress GmbH und Co KG. Und die verkauft ihre landesweite Ortskenntnis an zahlende Kunden weiter. Wer keinen Nachsendeantrag stellt, dem ist die Adressenrecherche der Preisträgerin trotzdem auf den Fersen, wenn es der werbenden Wirtschaft oder dem Forderungseinzug dient, notfalls sogar bis ans eigene Telefon.

Behörden: Bundespolizei

Der BigBrotherAward 2013 in der Kategorie Behörden geht an die Bundespolizei, vertreten durch ihren Präsidenten Dieter Romann, für Polizeikontrollen, bei denen Personen aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes (Hautfarbe oder andere phänotypische Merkmale, ethnische Zugehörigkeit, nationale Herkunft, Religion, Sprache) gezielt aus einer Menschenmenge herausgegriffen werden, um ihre Personalien festzustellen und sie zu überprüfen. Diese verbreitete Praxis rassistischer Rasterungen nennt man „Racial“ oder „Ethnic Profiling“; auf verdächtiges Verhalten oder objektive Indizien als Verdachtsmomente kommt es bei dieser Kontrollpraxis nicht an.

Behörden und Verwaltung: ARD, ZDF, Deutschlandradio Beitragsservice (BEZ)

Der BigBrotherAward in der Kategorie Behörden und Verwaltung geht an die Ministerpräsidenten der 16 deutschen Bundesländer für die Einrichtung des Gemeinsamen Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio als Nachfolger der GEZ. Seit Anfang Januar sind Rundfunkbeiträge nicht mehr für Geräte, sondern pro Wohnung zu entrichten. Dabei haben die Autoren des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages die Chance verpasst, eindeutige, personenunabhängige Regelungen zu entwickeln. In der mehrjährigen Übergangsphase verarbeitet der neue Beitragsservice sogar viel mehr Daten als zuvor die GEZ. Die rechtliche Grundlage der Datenverarbeitung ist für Juristen zumindest zweifelhaft.

Neusprech Der Big Brother Award in der Sonder-Kategorie Neusprech geht an das Wort „Übersichtsaufnahme“. Das Wort klingt nach Architekturführer, nach Röntgenbild beim Arzt, nach astronomischen Beobachtungen. Es klingt harmlos. Und gerade deswegen hat es den Preis verdient. Denn harmlos ist es ganz und gar nicht. In der Begründung heißt es: „Die Berliner Polizei nennt es eine Übersichtsaufnahme, wenn sie ohne konkreten Anlass eine friedliche Demonstration filmt. Schließlich, so lautet die Argumentation dazu, soll die Einsatzleitung die Übersicht behalten. In der Laudatio heißt es: „Der richtige Ausdruck wäre Videoüberwachung und sie ist eine Bedrohung für unsere Grundrechte.“

Claudia Frickel

Focus Online, München, 12. April 2013
Original: https://www.focus.de/digital/multimedia/tid-30453/bez-verarbeitet-viel-mehr-daten-als-die-gez-apple-google-bez-und-die-post-bekommen-big-brother-awards-2013_aid_954392.html

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