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Geschützte Heiligtümer

Datenschützer prangern Microsofts "Palladium" an

Von Sigrun Müller-Gerbes

Bürgerrechtler haben Microsoft mit dem Big-Brother-Award ausgezeichnet. Preiswürdig im negativen Sinne befanden sie die Pläne des Softwarekonzerns zum Schutz von Urheberrechten. Nach dem Palladium genannten Konzept werden Windows-Betriebssystem und spezielle Hardware dafür sorgen, dass Computer nur noch Dateien verarbeiten, die ein OK-Siegel tragen.

Auch wenn sich PC-Nutzer darüber ärgern - auf den ersten Blick erscheinen die Ziele eines digitalen Rechte-Managements (DRM) durchaus legitim: Es gibt kein Menschenrecht auf kostenloses Brennen von CDs mit urheberrechtlich geschützter Musik, auf illegales Kopieren lizenzgeschützter Software oder auf das Knacken von Kopierschutz-Vorrichtungen aller Art. Dass Microsoft dennoch - wieder einmal - den Zorn von Datenschützern auf sich zieht, liegt an der Art, wie das DRM technisch umgesetzt werden soll: Der Konzern will es in Betriebssystem und Hardware jedes einzelnen PCs einbauen. Damit würden die Rechner zum "Copyright-Polizisten", der "in erster Linie die Nutzer kontrolliert", sagt der Fachjournalist und Big-Brother-Juror Patrick Goltzsch.

Das Betriebssystem selbst soll künftig überwachen, ob der Rechner versucht, Urheberrechte zu umgehen - und in diesem Fall die verwendeten Programme abschalten sowie Raubkopien löschen. Unterstützt wird das Betriebssystem von einem Co-Prozessor (genannt TCPA-Chip), einer Hardware-Komponente also, die schon beim Einschalten des Rechners kontrolliert, ob an einem Programm manipuliert worden ist und ob nicht-lizenzierte Elemente eingebaut worden sind.

Microsoft hat das Betriebssystem-Konzept unter dem Codenamen "Palladium" - übersetzt "schützendes Heiligtum" - im Sommer vorgestellt und will es in etwa zwei Jahren einführen. In der Werbung steht das DRM dabei freilich nicht im Vordergrund, sondern Fragen der PC-Sicherheit. Mit der gleichen Technik, die das illegale Kopieren unmöglich macht, lässt sich der Rechner vor virenverseuchten Dateien schützen; Microsoft verspricht gar, Palladium könne die Flut unerwünschter Werbemails ("Spam") stoppen.

Der Trick: Das mit Palladium ausgestattete Betriebssystem akzeptiert nur Programme und Dateien, die der Hersteller mit einem Sicherheitszertifikat ausgestattet hat, und versieht selbst erzeugte Dateien ebenfalls mit einem solchen Siegel. Dateien ohne Zertifikat gelten als nicht vertrauenswürdig und bleiben mit Palladium unbearbeitet. Und hier sehen Kritiker große Probleme - denn was, so Goltzsch, "hindert ein Programm aus dem Haus Microsoft daran, alles als nicht vertrauenswürdig einzustufen, was nicht mit Microsoft-Produkten erstellt wurde" ?

Das hält Goltzsch denn auch für eines der eigentlichen Ziele von Palladium: Nutzer möglichst ausschließlich an Microsoft-Produkte zu binden. Vor allem für Open- Source-Software, nicht-kommerzielle und frei verfügbar im Netz angebotene Software könnten schwere Zeiten anbrechen, sollte sich Microsoft mit dem Konzept durchsetzen. Denn eine Zertifizierung wird teuer sein - in der Fachpresse ist die Rede von bis zu sechsstelligen Dollar-Beträgen pro Anwendung.

Microsoft verspricht zwar, Nutzer könnten Palladium abschalten. Dann aber funktionieren nur die unzertifizierten Programme und Dateien, alle anderen bleiben ausgeschaltet. Illegales Kopieren von Musikdateien etwa würde ohne Palladium nur bedingt funktionieren: wenn die Industrie die Titel in einem Format zur Verfügung stellt, die nur lizenzierte Programme lesen können, etwa Microsofts Media Player - also nur in Verbindung mit Palladium.

Das Rechtesystem eröffnet Geschäftsleuten viele Verwertungsideen: Ein E-Book lässt sich nur für einen bestimmten Zeitraum freischalten; CD-Kopien könnte es zu einem Drittel des Ladenpreises geben, aber nur zum dreimaligen Hören; Software darf gemietet werden, wer die Miete vergisst, bekommt das Programm entzogen. Darüber hinaus skizziert Ross Andersen, Experte für Computersicherheit an der University of Cambridge, Szenarien, wie Gerichte oder Regierungen die Technik verwenden können, Inhalte zentral zu sperren - da darf es ehrenwert um den Kampf gegen Kinderpornografie genauso gehen wie um unliebsame politische Dinge. Gar zum Instrument der Außenpolitik könne das System werden: Verwendet ein Gegner das Microsoft-Produkt, könne man ihm im Krisenfall einfach sämtliche Lizenzen deaktivieren.

Frankfurter Rundschau, 29. Oktober 2002
Original: http://www.fr-aktuell.de/fr/211/t211018.htm

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