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Big Brother auf dem Kartoffelacker

Alles andere als ehrenvolle "Preise" für Verletzung des Datenschutzes / Auch Bundesinnenminister Otto Schily wird "ausgezeichnet"

Datenschutz ist ein eher trockenes Geschäft. Dass dies nicht immer so sein muss, bewies der Bielefelder Verein Foebud am Freitag wieder, als er mit einer Gala die gröbsten Verstöße gegen den Datenschutz mit dem Big-Brother-Award würdigte.

Auf der Liste des wenig ruhmreichen Preises diesmal: die Saatgut-Treuhand, eine Grundschule, die Daten von Erstklässlern an eine Sparkasse weitergegeben hatte. Einen Negativ-Preis für sein Lebenswerk erhielt Bundesinnenminister Otto Schily.

Der angekündigte Tod der beliebten Kartoffelsorte Linda hat in diesem Jahr für einen Sturm der Entrüstung bei Verbrauchern und Bauern gesorgt. Doch wie Laudatorin Rena Tangens ausführte, war die landwirtschaftlich-kulinarische Episode auch eine Lektion in Sachen Datenschutz. Pflanzenzüchter können von Bauern Gebühren verlangen, wenn diese eine geschützte Pflanzensorte anbauen - auch wenn das Saatgut aus der eigenen Ernte stammt. Aus diesem Grund fordert die Firma Saatgut-Treuhand aus Bonn bei den Landwirten Auskünfte über die angepflanzten Sorten an. Nach Angaben der Datenschützer greift die Firma dabei zu unlauteren Mitteln.

Drohbriefe und Testkäufe

In der Laudatio war von Drohbriefen und verdeckten Testkäufen die Rede. Besonders interessiert sind die Datenschützer an dem Fakt, wie die Saatgut-Treuhand überhaupt an die Anschriften der Bauern gekommen ist. Die Jury des Big-Brother-Awards kritisiert den Aufbau einer neuen zentralen Datensammlung, die den "gläsernen Landwirt" schaffe, was alleine dem Interesse der Saatgut-Industrie diene.

Auch ein vermeintlich uneigennütziges Geschenk zweier Banken fiel bei der Jury in Ungnade. Damit die neu eingeschulten Kinder einen Gutschein für ein Starter-Konto bekamen, gab die Grundschule Ennigloh in Nordrhein-Westfalen nach Recherchen der Datenschützer die Daten der Kinder ohne Einverständnis der Eltern an eine Volksbank und an eine Sparkasse weiter.

Dies sorgte beim Laudator, dem Medienkünstler Padeluun, für herbe Kritik: "Die meisten Schulen denken nicht daran, dass die Daten der ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schüler Begehrlichkeiten wecken." Den Preis an die Grundschule sieht er als Mahnung an alle Schulen in Deutschland: " Einer Instrumentalisierung der Schulen durch Wirtschaftsunternehmen sollten wir nach wie vor gemeinsam entgegenwirken."

Das Organisationskomitee der Fußballweltmeisterschaft 2006 erhielt den Preis für "die inquisitorischen Fragenbögen" bei der Bestellung von Eintrittskarten, die Weitergabe der Daten an Sponsoringpartner und das Verwenden von Funkchips in den Eintrittskarten.

Hessens Polizeigesetz

Die Innenpolitik ist naturgemäß im Blickfeld der Datenschützer: In gleich drei Bundesländern sahen sie preiswürdiges Verhalten der Beteiligten. In der Kategorie Politik ehrten die Datenschützer den hessischen Innenminister Volker Bouffier für die Auswirkungen des neuen Polizeigesetzes des Bundeslandes.

Einen Preis für seine Lebensleistung erhielt der scheidende Bundesinnenminister Otto Schily (SPD)- besonders die Einführung der biometrischen Pässe in Deutschland war den Datenschützern eine Würdigung wert.

Torsten Kleinz

Frankfurter Rundschau, 29. Oktober 2005
Original: http://www.frankfurterrundschau.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirtschaft/?cnt=748427&sid=00c3823f3e436c88988f9f20c5b417b5

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