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Geächtet auf der Terrorliste

Europäische Union erhält den Big-Brother-Award

Frankfurter Rundschau, 25./26. Oktober 2008, S. 6

Die EU als Terror-Organisation - mit diesem Vorwurf sehen sich stellvertretend für den Ministerrat Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner und Generalsekretär Javier Solana konfrontiert. Sie erhalten für die EU-Terrorliste den "Big-Brother-Award" 2008, verliehen von sieben deutschen Menschenrechtsorganisationen.

"Die EU greift mit ihrer Terrorliste im ,Kampf gegen den Terror' gewissermaßen selbst zu einem Terrorinstrument aus dem Arsenal des sogenannten Feindstrafrechts - eines menschenrechtswidrigen Sonderrechts gegen angebliche ,Staatsfeinde', die praktisch rechtlos gestellt und gesellschaftlich ausgegrenzt werden", sagte "Laudator" Rolf Gössner von der "Internationalen Liga für Menschenrechte". Bei der Verleihung am Freitagabend in Bielefeld zitierte Gössner den vom Europarat beauftragten Sonderermittler Dick Marty: auf der Liste zu stehen bedeute die "zivile Todesstrafe".

Als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 hatte die EU eine Verordnung erlassen, die es untersagt, Terrorismusverdächtigen Geld zu geben oder mit ihnen Geschäfte zu machen. Die "Schwarze Liste" der Verdächtigen wird häufig aktualisiert. "Diese Datensammlung ist weder demokratisch legitimiert. noch unterliegt sie einer demokratischen Kontrolle", prangert Gössner an. Betroffene werden laut Marty nicht verständigt, sondern erfahren davon, wenn sie etwa eine Grenze passieren oder über ihr Bankkonto verfügen wollen.

Es gebe keine Anklage, kein rechtliches Gehör, keine zeitliche Begrenzung. Das gesamte Vermögen werde eingefroren, alle Konten und Kreditkarten gesperrt, Barmittel beschlagnahmt, Arbeits- und Geschäftsverträge würden faktisch aufgehoben. Weder Arbeitsentgelt noch staatliche Sozialleistungen dürften noch ausbezahlt werden; hinzu kämen Passentzug und Ausreisesperre sowie dauernde Überwachung. Und für ungerechtfertigt Inkriminierte gebe es keine Entschädigung. Das sei rechtswidrig, hat der Europäische Gerichtshof mehrfach festgesteIlt.

Big-Brother-Award

George Orwell hat in seinem Roman 1984 den Überwachungsstaat in der Vision vom "Big Brother" beschrieben.

Der Verein FoeBuD in Bielefeld verleiht den gleichnamigen Preis in sieben Kategorien. Zur Jury gehören weitere sechs Bürgerrechtsgruppen.

Der 16. Bundestag erhält einen Preis "für das Durchwinken mehrerer Gesetze, die eine Erhebung, langfristige Speicherung und Weitergabe von detaillierten Daten über Reisende erzwingen.

Edgar Auth

Frankfurter Rundschau, 25. Oktober 2008
Original: Nicht bekannt

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