Harz IV bedrohte Empfänger von Arbeitslosenhilfe wird es vielleicht freuen, helfen wird es ihnen abder trotzdem nicht. Die Bundesagentur für Arbeit erhält für ihre "inquisitorischen Fragebögen" zum neuen Arbeitslosengeld II von Datenschützern in diesem Jahr den Negativ-Preis "Big Brother Award".
Auch Justizministerin Brigitte Zypries, Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (beide SPD), der Kopierer-Hersteller Canon, der Discounter Lidl und der Versand Tchibo Direct wurden am Freitag in Bielefeld für Eingriffe in die Privatsphäre der Bundesbürger kritisiert.
Der Preis wurde zum 5. Mal vom Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs in Bielefeld vergeben. In der Jury sind unter anderem die Deutsche Vereinigung für Datenschutz, der Chaos Computer Club und die Internationale Liga für Menschenrechte vertreten.
Dem Tchibo Direct-Versand wirft die Jury vor, zwar vertrauliche Behandlung der persönlichen Kundendaten zu versichern, die Anschriften aber am Adressenmarkt weiterzuverkaufen. Gesundheitsministerin Schmidt ist wegen der Gesundheitsreform ins Visier der Experten geraten: Seit dem 1. Januar 2004 rechneten die Krankenkassen die Kosten nicht mehr anonymisiert und fallbezogen ab, sondern erhielten neben den Rechnungen von Apotheken und Krankenhäusern auch die von sämtlichen ambulanten Behandlungen personenbezogen übermittelt. Damit entstehe bei den Krankenkassen ein lückenloses Krankheitsprofil sämtlicher Mitglieder. Trotz rechtzeitiger Warnungen sei das System nicht geändert worden.
Canon wird vorgeworfen, dass seine Farbkopierer auf allen Ausdrucken unsichtbare Kennnummern hinterließen. Dafür habe die Jury Beweise. In der Kategorie "Arbeitswelt" wurde Lidl benannt: "Besonders auszeichnungswürdig erschien der Jury die heimliche Videoüberwachung in einigen der deutschen Filialen", hieß es. Zypries wurde für das Festhalten am Großen Lauschangriff kritisiert.
Quelle: dpa
Fritz.de, 29. Oktober 2004
Original: http://www.fritz.de/_/interaktiv/computernews/detail_jsp/key=38218.html