Das Spitzenpersonal der rot-grünen Koalition ist überwiegend von der politischen Bühne verschwunden. Manche sind in die zweite Reihe getreten.
Auch so einer, bei dem man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll. Gerhard Schröders Innenminister, Alterspräsident des 16. Deutschen Bundestages und Träger des Big-Brother-Awards 2005 (Kategorie Lebensleistung, für seine "hartnäckigen Bemühungen um die Aushöhlung des Datenschutzes"), sitzt für das deutsche Volk nach wie vor im Parlament. Außerdem bekleidet er nun Aufsichtsratsposten für die Firmen Safe ID Solutions AG und Biometrics Systems AG. Schön, dass er auf seine Tage noch so gut untergekommen ist. Schade, dass es genau da sein musste, am geschäftlichen Ende der Sicherheit, wie er sie als Politiker noch vor kurzem betrieben hatte.
"Eine bewanderte und einflussreiche Persönlichkeit" freuten sich die Münchner Safe-ID-Solutions im August über die prominente Verpflichtung. Das Bewandertsein ergibt sich aus dem Umstand, dass sich Schily energisch für die Einführung elektronisch lesbarer Ausweise eingesetzt hat. Der Einfluss-Reichtum darf - in beiden Komponenten - als unstrittig gelten.
Anders die Frage der Gehörigkeit. Aus der Opposition kam scharfe Kritik. Die war lauter als die Verteidigung durch die eigenen Leute. Wenn man von "eigenen Leuten" reden will - Schily, der Ex-Grüne, hat stets auf Distanz zu den Genossen gehalten. Richtig gemocht haben sie ihn nur, wenn er den Schwarzen Zunder gab, wie einst dem Helmut Kohl im Flick-Ausschuss oder zuletzt in der Visa-Affäre dem CSU-Mann Hans-Peter Uhl. Da durfte als Brillanz bewundert werden, was sonst als Arroganz verabscheut wird. So ist "Otto" eine Klasse für sich, fallweise Ekel oder einer der klügsten Köpfe der deutschen Nachkriegspolitik.
Frankfurter Rundschau Online, Frankfurt, 18. Oktober 2006
Original: http://www.frankfurterrundschau.de/in_und_ausland/politik/dossiers/republikbesichtigung/?em_cnt=993009&