Kein Grund zum Feiern: Apple wurde bei den diesjährigen deutschen BigBrotherAwards mit dem bekannten Negativpreis bedacht. Verliehen wurde die wenig schmeichelhafte Trophäe in der Kategorie Arbeitswelt für die umfassende Videoüberwachung der Beschäftigten.
Ausgezeichnet wurde im Detail die Apple Retail Germany GmbH, die in Deutschland die Apple Stores betreibt. Somit verantwortet die Apple-Tochter auch das missbilligende Verhalten, was die Jury bewegte, den BigBrother Award zu verleihen. Gerügt wurde vorderhand die allumfassende Videoüberwachung der Store-Angestellten. In den Ladengeschäften des Herstellers sollen nicht nur Verkaufs- und Lagerräume flächendeckend und dauerhaft per Kamera überwacht werden, sondern auch die Pausenräume der Angestellten. Die Jury attestiert: Diese Form der Totalkontrolle von Beschäftigten ist in Deutschland rechtswidrig. Bemängelt wurden ferner die kaum handgroßen und ungünstig platzierten Hinweisschilder, durch die die Kunden über die Videoüberwachung innerhalb der Verkaufsräume informiert werden. Totalüberwachung im Zeichen des Apfels
Die Laudatio hielt Peter Wedde, Professor für Arbeitsrecht und Recht der Informationsgesellschaft an der Fachhochschule Frankfurt am Main. In seiner Rede verwies er unter anderem auf Berichte des Spiegels (November 2012) und der Süddeutschen Zeitung vom 25. Januar 2013. So wurden bei einem Besuch der Gewerbeaufsicht im Münchner Apple Store Kameras entdeckt, die explizit nicht nur das Lager, sondern auch das Personal filmten. Die SZ berichtet ferner über Kameras vor Toiletten, die dazu dienen sollen, die Frequenz der Notdurftverrichtung der Angestellten zu dokumentierten. Des Weiteren liegt die Vermutung nahe, besagte Videoaufnahmen würden zentral von allen europäischen Apple Stores in England ausgewertet. Sowohl die Videoüberwachung in der beschriebenen Form, als auch die Auswertung in Großbritannien sind nach deutschem Rechtsverständnis unzulässig. Auch eine (nachträgliche) Einwilligungserklärung würde nicht zu einer Legalisierung führen. Opfer der Totalüberwachung: Die Angestellten im Apple Store.
Fragwürdige Einwilligungserklärung Eine solche Einwilligungserklärung zur Videoüberwachung wird den Angestellten seitens der Apple Retail Germany GmbH tatsächlich vorgelegt, wenngleich die Unterzeichnung freigestellt ist und eine Nichtunterzeichnung angeblich keine Konsequenzen nach sich zieht. In der Praxis würde dies jedoch kuriose Folgen haben. Peter Wedde: „Vielleicht wird der Arbeitsvertrag dann trotzdem noch abgeschlossen, aber es bleibt völlig unklar, wie in den Apple Stores dann praktisch sichergestellt werden soll, dass bestimmte Beschäftigte im Fall der Verweigerung nicht mehr gefilmt werden. Verfügt der Apple-Konzern etwa über eine geheimnisvolle Software, die Verweigerer unsichtbar macht?“ Sein Fazit: „Bis eine solche Zauber-Software vorliegt, sind dauerhafte Videoaufnahmen ohne Einwilligung unzulässig.“
Fraglich bleibt weiter die grundsätzliche Zulässigkeit einer solchen freiwilligen Einwilligungserklärung. Professor Wedde führt aus: „Das ist eine Generalvollmacht, die Arbeitgebern in den Apple Stores eine unbegrenzte Auswertung der Videoaufzeichnungen ermöglicht. Eine solche weitgehende Befugnis steht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der anlasslose Totalkontrollen von Beschäftigten am Arbeitsplatz unzulässig sind. Mit Blick auf die Rechtsprechung sind Zweifel daran erlaubt, ob Arbeitnehmer ihrem Arbeitgeber derart weitgehende Rechte überhaupt „freiwillig“ einräumen können.“ Auch Kunden werden per Kamera überwacht. Der Hinweis darauf ist gut versteckt.
Kundenüberwachung: Information widerspricht dem Apple-Design Auch die Kunden sind von Apples Totalüberwachung betroffen und wurden bisher nur ungenügend darüber informiert. „Die Hinweisschilder auf Videoüberwachung im Kundenbereich waren lange Zeit auf Dackelaugenhöhe angebracht. Erst nachdem Datenschutzbeauftragte einschritten, sind die Schilder inzwischen auf Hüfthöhe gewandert, handtellergroß und transparent auf riesigen Glastüren. Besser sichtbare Schilder verweigerte die Apple Retail Germany GmbH, weil sie mit den Apple-Design-Vorschriften nicht vereinbar seien.“
In Bezugnahme auf George Orwells Roman „1984“ schließt Wedde nachdenklich ab: „Es gibt Unternehmen, die von Mitarbeitern ebenfalls wie der Große Bruder aus Orwells Roman die Unterwerfung unter die eigene Firmenphilosophie erwarten. Einschließlich der Unterschrift unter eine Einwilligungserklärung zur potenziellen Totalüberwachung. Wenn die Arbeitgeber in den Apple Stores auch für ihre Beschäftigten „das Leben schöner machen“ wollten, sollten sie die kritisierten Kameras einfach abbauen.“
Für Apple ist es nicht der erste BigBrotherAward. Schon 2011 erhielt die Apple Deutschland GmbH die Auszeichnung in der Kategorie Kommunikation. Grund damals: Die Geiselnahme der Kunden mittels teurer Hardware und die darauf folgende Erpressung, den firmeneigenen zweifelhaften Datenschutzbedingungen zuzustimmen – so die Jury. Feine Gesellschaft: Weitere Preisträger 2013
Doch nicht nur Apple darf sich „freuen“. Weitere Preisträger des BigBrotherAwards 2013 sind:
Die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer für die Einrichtung des gemeinsamen Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio als Nachfolger der GEZ. Google in der Kategorie globales Datensammeln. Die Deutsche Post Adress GmbH & Co. KG in der Kategorie Wirtschaft für den Weiterverkauf des Adressdatenbestands. Die Bundespolizei, vertreten durch ihren Präsidenten Dr. Dieter Romann, für die Praxis rassistischer Rasterungen.
Hintergrund: BigBrotherAwards
Die BigBrotherAwards werden jährlich in mehreren Ländern verliehen – in Deutschland seit dem Jahr 2000. Die Initiatoren möchten hierdurch die öffentliche Diskussion um Privatsphäre und Datenschutz fördern. Ziel soll sein, den missbräuchlichen Umgang mit Technik und Informationen aufzuzeigen. Organisiert werden die deutschen BigBrotherAwards vom Bielefelder Verein digitalcourage. Besagter Verein findet sich ebenso in der Jury, neben weiteren unabhängigen Organisationen: Chaos Computer Club e.V. (CCC), Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V. (DVD), Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft e.V. (FITUG), Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. (FIfF), Humanistische Union e.V. (HU) sowie Internationale Liga für Menschenrechte (ILMR).
Sven Kaulfuss
GIGA.de, Köln, 12. April 2013
Original: http://www.giga.de/unternehmen/apple/news/bigbrother-awards-2013-apple-erhalt-negativpreis/