Gestern Abend wurden in Wien die Österreichischen Big Brother Awards verliehen. Die Antipreise für besonders dreiste Datensammler wurden zum achten Mal vergeben. Einen Preis gab es dieses Jahr zum ersten Mal in der Sonderkategorie "Besonders idiotische Überwachungsmethoden" für Siemens Österreich.
Das Biometrie-Kompetenzzentrum in Graz kann man nur nach Abgabe des Fingerabdrucks besuchen, auch die Cola am Automaten gibts nur gegen Fingerabdruck. Die Auswirkungen der Überwachungstechnik zu bedenken, erspart sich die Leiterin Brigitte Ederer: das sei "Sache der Gesellschaft".
Günther Gall von der Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication SWIFT wurde für die Weitergabe von Millionen von Überweisungsdaten europäischer Bankkunden an die CIA geehrt. Audch in Deutschland konnte SWIFT mit der Aktion einen der diesjährigen BigBrother-Awards gewinnen. Die Schnüffelei des CIA fand nach Angaben des SWIFT-Aufsichtsrats Günther Gall ohne richterliche Verfügung oder Gerichtsbeschluss statt. Die Österreicher kommentieren:
"SWIFT hat bisher keinerlei Anstalten gemacht, die Datenweitergabe einzustellen, geschweige denn die Öffentlichkeit über Art und Umfang des illegalen Datentransfers aufzuklären. Gewusst von der Affäre hat lange Zeit nur Günther Gall, zuständig in der Raiffeisen Zentralbank für Transaktionsservices und Aufsichtsratsmitglied von SWIFT seit 2001. Gall stellte seine Schweigepflicht als Aufsichtsrat über seine Pflichten als gesetzestreuer Bürger des Staates Österreich und unserem Bankgeheimnis und dem Datenschutzgesetz."
Im Bereich Politik konnte Liese Prokop von der ÖVP die Preisrichter überzeugen. "Seit 2005, besonders aber vor der Wahl, tourte die Frau Innenminister durch Österreichs Städte und hinterließ Videoüberwachungsanlagen, wo immer sie gastierte", so die Preisverleiher, die weiterhin die Anschaffung von Kennzeichenlesegeräten für die Verkehrsrasterfahndung durch Prokop würdigten. Ein weiterer Politiker wurde mit Jörg Haider geehrt, der den Sonderpreis als "lebenslanges Ärgernis" erhielt.
"Als eine der ersten Schulen Österreichs wurde die HAK Grazbachgasse mit einer umfassende Smart-Card-Lösung von Microsoft ausgestattet, die nach eigenen Angaben "alle Stückeln spielt". Über eine Smart Card mit integriertem RFID-Chip - Ausweis, Schlüssel, Zahlungsmittel - wird alles vernetzt und nachvollziehbar, was nicht zusammengehört. Unter automatischer Kontrolle der EDV, deren Leiter sich bei Einführung des Systems davon "begeistert" zeigte, stehen von Essensgewohnheiten, bis zu den Bewegungen der Schüler/innen im Gebäude so gut wie alle Interaktionen. 14jährige werden auf überwacht werden konditioniert."
Die einleuchtende Begründung, weshalb Johann Janisch von der HAK Grazbachgasse keinesfalls ungeehrt bleiben durfte.
Weiterhin geehrt wurde Chris Hibbert von Walt Disney TV International für die Pläne zur Einführung eines "Broadcast Flag" fürs digitale Fernsehen, der Konsumenten vorschreibt, was sie aufnehmen können und was nicht. Das "virale Marketing" Sonys mit Rooitkits auf Audio-CDs schaffte es nicht an die Spitze. Ebenfalls den Preis verpasst hat die IFPI Österreich, die 150 Filesharer ohne Gerichtsprozess zum Zahlen von Schadenersatzforderungen erpresste und in mehreren Fällen Unschuldige unter Druck setzte, sowie Google für eine Technologie zum Belauschen des TV-Programms per Mikrofon und dem Einblenden thematisch passender Werbung am Rechner.
Richard Joos
Gulli, Bochum, 26. Oktober 2006
Original: http://www.gulli.com/news/land-der-spanner-big-brother-2006-10-26/