Die überaus fleißigen Datensammler begegnen uns überall: am Arbeitsplatz, beim Einkauf, in der Mensa, auf Reisen oder auch im Internet. Die Jury der BigBrotherAwards ist noch auf der Suche nach neuen Kandidaten für die diesjährige Verleihung der übelsten Datenkraken. Warum man diese auszeichnet? Damit sie das erhalten was sie am wenigsten möchten: öffentliche Aufmerksamkeit!
Manchmal erscheint es einem, als wenn es jedes Jahr schlimmer wird: Vorratsdatenspeicherung, RFID-Schnüffelchips, die geplante elektronische Gesundheitskarte, die lebenslange Steuer-Identifikationsnummer, Telefon- und Videoüberwachung, Kundenprofile, um nur ein paar Aspekte dieses Themengebietes zu nennen.
Data Mining ist auch ein heikles wie aktuelles Stichwort. Darunter versteht man das automatische Auswerten von großen Datenbeständen mithilfe statistischer Verfahren. Ziel ist das Aufspüren von Regeln und Mustern beziehungsweise statistischen Auffälligkeiten. So lassen sich z. B. Änderungen im Verhalten von Kunden oder Kundengruppen aufspüren, auf die die Unternehmen gerne so frühzeitig wie möglich reagieren möchten. Es kann aber auch ein abweichendes Verhalten einzelner Personen erkannt werden, welches die Datenschützer auf den Plan ruft. Scoring wird von Banken und Kreditinstituten zur Bonitätseinschätzung für die Vergabe von Ratenkredite an private Kunden verwendet. Dazu werden persönlichen Eigenschaften wie etwa der Beruf, Arbeitgeber, Familienstand, Kontoführung im eigenen Haus, positive und negative Merkmale der SCHUFA-Auskunft und wirtschaftlichen Verhältnisse wie etwa das verfügbare Einkommen, Besitz von Immobilen, erwartete Ausgaben etc. herangezogen. Stellt sich nur die Frage, ob den Kreditgeber, etwa die Bank eines Autoherstellers über solche Daten verfügen sollte. Wer der Schufa-Auskunft zugestimmt hat, ohne diese bekommt man heute nichts mehr finanziert, wird anschließend so gut wie es geht durchleuchtet.
video, cctv Ist Datenschutz heute noch immer Glückssache? Die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger wird immer stärker verletzt, Gesetze gebrochen oder für Staat und Unternehmen passend gemacht. Die im Moment in den Medien behandelten Skandale stellen in Wahrheit nur die Spitze des Eisberges dar. Die Masse der Vorfälle wird nie publik.
Deswegen fragt die Jury in die Runde, welchen Datenkraken sie noch übersehen haben. Wer sonst ist es noch wert, einen Preis für den schlechtesten Datenschutz zu erhalten? Unternehmen wie Payback, Lidl, die GEZ, Novartis Pharma GmbH, Deutsche Bahn, Marriott, Hyatt und Intercontinental Hotels und Microsoft haben ihn schon. Herr Schäuble läuft eh außer Konkurrenz, zumal man den übereifrigen Minister ansonsten jedes Jahr aufs Neue auszeichnen müsste. Und Portale wie StudiVZ stehen schon in den Startlöchern für die diesjährige Veranstaltung in Bielefeld. Die Vorschläge können noch bis zum 15. Juli auf der Website abgegeben werden. Die Verleihungsgala findet dieses Jahr am 24. Oktober erneut im Historischen Saal der Ravensberger Spinnerei in Bielefeld statt. Die Gulli Redaktion wird neben den Vertretern zahlreicher Online-, Print- und Rundfunkmedien wie üblich anwesend sein.
Der Name der Veranstaltung wurde George Orwells negativer Utopie "1984" entnommen, in der der Autor bereits Ende der vierziger Jahre seine top aktuelle Vision einer totalitären Überwachungsgesellschaft entwarf. Die Preisskulptur, eine von einer Glasscheibe durchtrennte und mit Bleiband gefesselte Figur, wurde von Peter Sommerbigbrother, award, oscar, foebud entworfen. Sie zeigt eine Passage aus Aldous Huxleys "Schöne Neue Welt".
Gulli, Bochum, 29. Mai 2008
Original: http://www.gulli.com/news/bigbrotherawards-2008-2008-05-29/