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Hintergrund: Auch Tux bekommt seinen Preis

In Bielefeld wurden heute zum ersten Mal die deutschen Bigbrother-Awards verliehen. Den Hauptpreis erhielt die Loyalty Partner Gesellschaft für Kundenbindungssyteme aus München, die das Bonuspunkte-System Payback entwickelt hat. Die Kundenbindungsspezialisten, deren Haupteigner mit 68 Prozent die Deutsche Lufthansa ist, gewähren nicht nur Rabatt bei Online-Einkäufen oder Benutzung der Payback-Karte, sondern erstellen aus den Daten Persönlichkeitsprofile, die für Werbeaktionen der Partner genutzt werden können. Das Payback-System trat in der Kategorie Business und Finanzen an.

Der Preis in der Kategorie "Kommunikation" ging an den Freemail-Dienst GMX, der in der Vergangenheit nicht nur durch Datenverlust und große Verletzlichkeit bei Hackerangriffen glänzte. Als einziger Kandidat der diesjährigen Awards meldete sich GMX selbst zum Wettbewerb an, mit einer großformatigen Anzeige in PR-Fachblättern, in denen sich GMX rühmt die besten und detailliertesten Kundenprofile erstellen zu können. GMX war auch der einzige Sieger, der mit einer gefaxten Stellungnahme Kommunikationsbereitschaft bezeugte. GMX-Geschäftsführer Karsten Schramm betonte, dass GMX "voll und ganz hinter dem Prinzip der Veranstaltung steht", doch bemängelte er eine "mangelhafte Recherche" der Jury sowie die "mangelhafte Begründung" zur Verleihung. Schramm, selber langjährig als Journalist tätig, verneinte, dass Datenverlust und Hackerangriffe im Zusammenhang mit der Privatsphäre stehen.

In der Kategorie "Behörden und Verwaltung" gewann sinnigerweise die privatisierte Deutsche Bahn AG mit ihrem 3-S-Zentralen ("Sicherheit, Sauberkeit und Service"), bei denen 42 Bahnhöfe und der vorgelagerte öffentliche Raum in Deutschland videoüberwacht werden. Vor den Schirmen sitzen Mitarbeiter des staatlichen Bundesgrenzschutzes und der bahneigenen Sicherheitsgesellschaft in trauter Zweisamkeit, obwohl dies bereits von Datenschützern heftig kritisierte wurde.

In der Kategorie "Politik" schaffte es der Berliner Innensenator Dr. Eckhart Werthebach auf den ersten Platz. Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsschutzes bekam den Preis stellvertretend für den Eifer, mit dem in Deutschland die Telefonüberwachung ausgebaut wird. Allein das Land Berlin unterhält 75 Aufzeichnungs- und 55 Auswertungsgeräte. Bis zum Jahre 2003 sollen weitere 4,7 Millionen Mark ausgegeben werden, um die Hauptstadt abzusichern.

Der "Lifetime Achievemt Award" ging an das Ausländerzentralregister des Bundesverwaltungsamtes in Köln. Hier werden seit 1953 die Daten aller Ausländer gespeichert, seit 1967 automatisiert. Ein Gesetz, das dieses Register genehmigt wurde erst im Jahre 1994 verabschiedet. Die Daten von 12 Millionen Ausländern können im Register von den Behörden eingesehen werden. Ablehnungsbescheide werden gespeichert, positive Bescheide zur Aufenthaltgenehmigung hingegen nicht.

Neben einem Lokalpreis für die Stadt Bielefeld und ihren Versuch, das Radiohören in Bussen auf den Lokalsendern Radio Bielefeld zu eichen, erzeugte der so genannte Szenepreis die größte Reaktion und scheint schon jetzt auf heftige Kritik der Open-Source-Gemeinde zu stoßen. Denn er ging an den Pinguin Tux, der mit einer Feder dekoriert als einziger Sieger persönlich erschien. Der Preis wurde für den Apache-Webserver vergeben, der in seiner Standardkonfiguration Logfiles mitspeichert, die die IP-Adresse der Besucher enthalten. Damit greife Apache massiv in die Privatsphäre der Surfer ein, so die Begründung der Jury.

Heise Online, 26. Oktober 2000

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