Der Datenschutz hat Konjunktur. Morgen werden im Amsterdamer Paradiso die Gewinner der niederländischen Big Brother Awards[1] bekannt gegeben, am Dienstag folgen im Wiener Flex die Österreicher[2] mit der Vergabe von künstlerisch gestalteten Ohren für die größten Datenschweinereien in der Alpenrepublik, ehe gegen Ende der Woche die Preise für die Deutschen Datenkraken [3] in der Bielefelder Spinnerei zur Abholung bereit stehen.
In den Niederlanden kann sich Innenminister Johan Remkes[4] Hoffnungen auf den Negativ-Preis machen, weil er mehrere Überwachungsprojekte eingeleitet hat und das Data Mining zwischen verschiedenen Polizeibehörden befürwortet. Aber auch EU-Kommissar Frits Bolkestein[5] ist für seine Freigabe der Flugpassagierdaten noch im Rennen, desgleichen der Utrechter Hauptkommissar Peter Vogelzang. Dieser möchte nach dem Vorbild deutscher RAF-Fahndungsplakate die Bilder gesuchter Straftäter im Internet, in Zeitungen und als Plakate in Behörden veröffentlichen. In der Kategorie Firmen schaffte es das Clearingsystem Interpay[6] in die Nominierungen, weil es Konsumentendaten an Direktmarketiers verkaufte. Der Amsterdamer Hauptbahnhof wurde nominiert, weil er das 3S-Konzept[7] (Service, Sicherheit, Sauberkeit) deutscher Bahnhöfe adaptierte. Für die digitale Weitergabe (digital doorgifte) wurde das Projekt Digidoor[8] der Stadt Almere nominiert, das die Daten aller Schulpflichtigen verwalten soll. Im Unterschied zu anderen Ländern werden in den Niederlanden auch Zukunftspreise vergeben. Die Pläne der EU, den biometrischen Fingerabdruck[9] in die Reisepässe aufzunehmen, die Vorratsdatenspeicherung[10] und Pläne zu einer Identifikationspflicht beim Arztbesuch analog zu der mit einem Foto ausgestatteten deutschen Gesundheitskarte schafften es in die Shortlist der Datenschützer.
In Österreich hat die Firma Microsoft dagegen protestiert, zusammen mit Siemens in der Kategorie "Business und Finanzen" nominiert worden zu sein. Die Nominierung[11] erfolgte für die Lobby-Arbeit von Microsoft und Siemens in der Frage der Software-Patente. In einem Brief[12] an die Organisatoren des österreichischen Preises verwahrte sich Microsoft dagegen, ohne fundierte Begründung an den virtuellen Pranger gestellt worden zu sein. Schließlich vertrete Microsoft in Bezug auf Software-Patente keine Einzelposition einer Firma, sondern stehe in einer Reihe mit der europäischen Software-Wirtschaft. Weitere österreichische Nominierungen in dieser Kategorie gingen an Linz Strom[13] für den Einsatz von Powerline, eine Grazer Diskothek für den Einsatz von Biometrie und Überwachungskameras, sowie Siemens Intelligent Traffic Systems für die Überwachung des gesamten Straßenverkehrs. Auch bei den Österreichern findet sich Frits Bolkestein und die EU-Vorratsdatenspeicherung unter den Nominierungen -- ein Indiz dafür, dass ein zusammenwachsendes Europa nicht unbedingt als Europa wahrgenommen wird, in dem die Privatsphäre weitreichenden Schutz genießt. (Detlef Borchers) /
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Detlef Borchers
Heise Online, Hannover
, 23. Oktober 2004
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