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Der Big Brother Award bewegt etwas

Die Verleihung der Big Brother Awards ist ein etablierte Veranstaltung. Sie verzeichnete am gestrigen Freitag deutlich mehr Teilnehmer als die kleine Demonstration gegen den Überwachungsstaat, die ihre Schleifen durch die Bielefelder Innenstadt zog. Im Rückblick ist es auch interessant, wer es nur zu einer lobenden Erwähnung als Datenkrake in spe brachte. Der FC Cottbus, der Fußball-Tickets nur noch gegen Vorlage des Personalausweises verkaufen will, der baden-württembergische Innenminister mit seinem Einbürgerungstest für Moslems, die Bild-Zeitung mit ihrer Aktion der die Privatsphäre verletztenden Leser-Reporter, sie alle blieben Little Brothers.

Wie Fredrik Roggan von der Humanistischen Union betonte, kann sich die Leistung der Jury sehen lassen. 2002 gewann Toll Collect den unbeliebten Award für die Speicherung von Kfz-Bewegungsdaten, 2006 wird die Fahndung in Mautdaten von Politikern und Polzei gefordert. 2003 erhielt die Gebühreneinzugszentrale einen Preis für ihr "Lebenswerk", deutsche Wohnungen auszuschnüffeln, komplett mit einem Alternativvorschlag, die GEZ-Gebühr durch eine Haushalts-Gebühr zu ersetzen. 2006 diskutieren Politiker eine auf den Haushalt bezogenene Medien-Gebühr. So gesehen ergibt es Sinn, dass selbst die Jury in der Vergangenheit kramte. Denn der Technik-Preis des Jahres 2006 für den Recorder Identification Code ist eine Reprise des Technik-Preises anno 2004. Damals bekam Canon den Big Brother Award für den Druck der Gerätekennung auf Farbkopien.

Mit den diesjährigen Preisträgern boten die Big Brother Awards keine Überraschungen, fügten sich aber gut in die aktuellen Debatten. Das gilt für die von Bundesinnenminister Schäuble gelobte Anti-Terror-Datei ebenso wie für die Schüler-ID in der Schülerdatenbank, auch wenn Nordrhein-Westfalen das Projekt ablehnt. Vielleicht war es dem Fehlen der ganz dicken Knaller geschuldet, dass die Preisverleihung etwas matt ausfiel und besonders der Performance-Künstler padeluun als "Universal-Ersatzpreisträger" außer Form war. Seine auf Rollschuhen am Mikrofon des Demo-Lautsprecherwagens dargebotene Freiheits-Rap-Einlage war dagegen preiswürdig, im positiven Sinne.

[Update]: Alle Teilnehmer an der Verleihung hatten zum Schluss die Möglichkeit, unter den Preisträgern ihren persönlichen Favoriten anzukreuzen. Die Wahl fand auf klassischen Stimmzetteln statt. Der Publikumspreis geht an die Versicherungswirtschaft mit ihrer Uniwagnis-Datei, knapp gefolgt von der Kinderseriennummer.

Detlef Borchers

Heise Online, Hannover, 21. Oktober 2006
Original: http://www.heise.de/newsticker/meldung/79834

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