In Prag sind am heutigen Montag zum zweiten Mal Big Brother Awards für die größten Verfehlungen beim Datenschutz in der tschechischen Republik vergeben worden. Mit dem Titel "Worst Commercial Intruder" kann sich künftig die "Komerční banka" (frei übersetzt "Commerz-Bank") schmücken, die Daten von ehemaligen Kunden nicht löscht und selbst Daten von Personen dauerhaft speichert, die lediglich mit Anfragen an das Geldinstitut herangetreten sind.
"Biggest State Intruder" ist nach Ansicht der Jury Finanzminister Bohuslav Sobotka. Jeder der in Tschechien Geschäfte machen will, muss sich eine Steuernummer geben lassen. Diese ist identisch mit der Personenkennziffer, eine Nummer, die in Tschechien jeder bekommt – und auch lebenslang behält. Der internationale Preis geht in die USA für das Ausspähen von Finanztransaktionsdaten des Dienstleisters SWIFT sowie die umstrittene Passagierdatenabfrage bei Flügen in die Vereinigten Staaten.
Die für den Datenschutz gefährlichste neue Technik hat den Juroren zufolge die tschechische Bahngesellschaft eingeführt. Sie setzt auf "In-Karta", ein Fahrscheinsystem auf RFID-Grundlage, mit dem ein Tracking von Passagieren möglich wird. Den Titel "BigBrother"-Gesetz des Jahres bekam die "Data Retention Direktive", die seit Herbst vergangenen Jahres in Tschechien in Kraft ist.
Die Ehrung für das "dümmste Argument gegen Datenschutz" wurde Milos Titz zuteil, dem früheren stellvertretenden Vorsitzenden des parlamentarischen Ausschusses für Verteidigung und Sicherheit. Titz hatte vor einem halben Jahr öffentlich gesagt: "Wenn ich nichts Böses tue, dann habe ich auch nichts zu befürchten." Mit dieser Einstellung steht der sozialdemokratische Abgeordnete nicht alleine da: Nahezu die gleiche Aussage brachten dem tschechischen Polizeipräsidenten Jirí Kolár bereits im vergangenen Jahr Big-Brother-Ehren ein.
Heise Online, Hannover, 30. Oktober 2006
Original: http://www.heise.de/newsticker/meldung/80261