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Bielefelder Impressionen von Daten- und Menschenschutz

Drei Tage lang war Bielefeld die Hauptstadt des Datenschutzes: Die Deutsche Vereinigung für Datenschutz[1] (DVD) hielt in der Stadt ihre Jahrestagung ab und feierte anschließend 30jähriges Bestehen. Dann wurden unter der Regie des FoeBuD[2] die Big Brother Awards 2007[3] vergeben. Schließlich tagte das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung[4] (FIfF) zum Thema "Datensammelwut". Schließlich daben die drei Organisationen gemeinsam eine "Bielefelder Erklärung wider Überwachungs- und Datensammelwahn[5]" heraus.

Begonnen hatte das Datenschutzwochenende mit der Tagung der DVD. Die behördlichen und betrieblichen Datenschützer beschlossen, dem Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble die Ehrenmitgliedschaft in der Deutschen Vereinigung für Datenschutz anzutragen. "[..] mit einer nicht enden wollenden Serie von Vorschlägen zum Abbau des Datenschutzes und zum Aufbau einer umfassenden staatlichen Überwachung aller Menschen in Deutschland hat er die Öffentlichkeit nachhaltig schockiert und das Bewusstsein dafür geschärft, dass Datenschutz eine notwendige Voraussetzung für die Freiheit in einer modernen Gesellschaft ist", heißt es in der entsprechenden Pressemeldung des DVD. Schäuble reagierte auf seine Weise und forderte in einem Gastbeitrag für die Bild am Sonntag, "die Online-Durchsuchung für Terror-Computer schnellstmöglich in das Gesetz zu nehmen."

Auf der DVD-Tagung selbst referierte Thilo Weichert vom unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz[6] über die Zukunft des Datenschutzes in Deutschland. Als wichtigste Trends nannte er den Verbraucherschutz und den Datenschutz-Audit in Behörden und Verwaltungen. "2008 wird ein Auditjahr", meinte Weichert, der die Zuhörer aufforderte, das Audit als Systemmanagement von desorganisierten Abläufen zu begreifen. Als Gastredner hielt der ehemaligen NRW-Innenminister Burkhard Hirsch ein Grundsatzreferat zum Thema "Datenschutz als Grundrecht". Er warnte davor, in Zukunft den Datenschutz auf die leichte Schulter zu nehmen, nur weil der Schutz Privatsphäre bei weiten Teilen der Bevölkerung keine Bedeutung mehr hat. Wie prekär es um den Datenschutz in Betrieben bestellt ist, machte der Rechtsanwalt Rainer Fraenkel, externer Datenschutzbeauftragter bei Toll Collect, deutlich. Er schilderte[7] (PDF-Datei), wie die vom Parlament mit dem Autobahnmautgesetz beschlossene strikte Zweckbindung der Mautdaten praktisch vom ersten Tag an von Polizei und Staatsanwaltschaft unter Beschuss genommen wurde: Am 7. Januar 2005 wollte das Amtsgericht Frankfurt bereits die Daten des am 1. Januar gestarteten Mautsystems zu Fahndungszwecken beschlagnahmen. Was nach der Änderung der gesetzlichen Zweckbindung der Mautdaten kommen wird, ließ Fraenkel offen. Er wies aber daraufhin dass die Autobahnbrücken zur Kontrolle der Mautzahlungen schon heute jeden PKW samt Kennzeichen erfassen, die PKW-Daten aber nach der Vermessung des Fahrzeuges wieder löschen.

Bereits im Jahre 2002 erhielt das Mautsystem von Toll Collect für die Verarbeitung von Bewegungsdaten des Verkehrs einen Big Brother Award, was Rainer Fraenkel in seinem Referat heftig kritisierte. Seinerzeit konkurrierte das satellitengestützte Mautsystem mit dem Preis für das Lebenswerk der Firma Microsoft um die Gunst des Publikums. Doch der Publikumspreis, bei dem die Eintritt zahlenden Zuschauer der Preisgala abstimmen, wurde erst später eingeführt. In diesem Jahr fiel die Entscheidung nach Angaben der Organisatoren besonders knapp aus. Den Publikumspreis 2007 gewann die Generalbundesanwältin Monika Harms[8] für die angeordneten Postdurchsuchungen und Geruchsspurspeicherungen im Vorfeld des G8-Gipfels. Glänzte der Bielefelder Aktionskünstler padeluun bei der Gala mit einem launigen Vortrag über die ausufernde Kundendatenspeicherung der Deutschen Bahn AG, so ließ er es sich tags darauf nicht nehmen, im Stil eines evangelischen Pfarrers Konfirmandenunterricht bei der Jahresversammlung der kritischen InformatikerInnen zu betreiben. Seine Forderung, den Datenschutz als Menschenschutz zu begreifen, löste im Publikum eine Debatte um den Stellenwert der Ethik in der Informatik aus. Padeluun forderte die versammelten Informatiker auf, mit wissenschaftlicher Kritik den Datenschützern zu helfen.

Zum Abschluss des Bielefelder Datenschutzwochenendes wurde die (noch nicht online verfügbare) "Bielefelder Erklärung wider Überwachungs- und Datensammelwahn" von den drei Organisationen verabschiedet. Sie wendet sich gegen die zunehmende Datensammelei von Staat und Wirtschaft, gegen die Vorratsdatenspeicherung der Verkehrsdaten in der Telekommunikation und gegen die systematische Einschränkung der Grundrechte durch Maßnahmen wie die heimliche Online-Durchsuchung von Computern. Die Bielefelder Erklärung schließt mit den Worten: "Die DVD, das FIfF und der FoeBuD fordern alle politisch Verantwortlichen auf, sich für die Einhaltung der Grundrechte einzusetzen, statt ständig zu versuchen, mithilfe angstschürender Schreckensszenarien den schleichenden Abbau wesentlicher demokratischer Errungenschaften zu rechtfertigen." (Detlef Borchers) / (vza/c't) ______________________________________________________________________________ Jetzt neu! Im riesigen WEB.DE Club SmartDrive Dateien freigeben und mit Freunden teilen! http://www.freemail.web.de/club/smartdrive_ttc.htm/?mc=021134

Detlef Borchers

Heise Online, Hannover, 14. Oktober 2007
Original: http://www.heise.de/newsticker/meldung/print/97345

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