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Big Brother Award: Büßerhemden und faule Ausreden

Musik, Zauberei und faule Ausreden: Die Stimmung bei der achten Verleihung der deutschen Big Brother Awards war prächtig. Die Deutsche Telekom ließ sich nicht lumpen und schickte mit Claus Ulmer einen bekannten Datenschützer, der den Preis in der Kategorie "Arbeitswelt und Kommunikation" entgegennahm. Zwei weitere Preisträger monierten die Darstellung ihrer Arbeit als Verletzung des Datenschutzes. Die Zuschauer hatten ihren Spaß, auch wenn viele Wetten auf die Preisträger platzten, weil Lidl leer ausging.

"Wir nehmen die Kritik an. Wir haben bereits Maßnahmen getroffen, dass sich das nicht wiederholt. Wir haben den Datenschutz zur Vorstandssache gemacht. Wir werden einen externen Datenschutzbeirat gründen und auf einer Internetseite transparent das laufende Ermittlungsverfahren kommunizieren." Eigentlich fehlte nur das wollene Büßerhemd und der Auftritt des Telekom-Datenschützers Claus Ulmer wäre perfekt gewesen. Die Bespitzelung von Journalisten und Aufsichtsräten auf der Suche nach einer undichten Quelle werde restlos aufgeklärt, versprach Ulmer. Dank dieser Aktion konnte die Telekom den Big Brother Award gewinnen, doch gab es beim TK-Konzern in diesem Jahr so viele Datenpannen, dass es für ein Dutzend Preise gereicht hätte. Parallel zum Auftritt von Ulmer in Bielefeld verschickte die Konzernpressestelle am Freitagabend eine Einladung, dass der oberste Datenschützer Manfred Balz in der kommenden Woche über neue Erkenntnisse informieren werde. Kein Zweifel, die Telekom hat bei ihrer "Krisenkommunikation" einen höheren Gang eingelegt. Ob all dies ausreicht, die Kritiker zum Schweigen zu bringen, mag bezweifelt werden, doch ein Anfang ist gemacht.

Dass man noch gar nicht angefangen hat, bemängelte Yello Strom in einer schriftlichen Antwort auf die Nachricht, mit dem digitalen Stromzähler den Sieger in der Kategorie "Technik" zu stellen. "Da unser Produkt Sparzähler Online noch nicht am Markt ist, sind naturgemäß erläuternde Kunde- Informationen – etwa auch rund das Thema Datenschutz – schon aus Wettbewerbsgründen noch nicht für die Öffentlichkeit verfügbar." So wehrt sich Yello gegen die Vorverurteilung eines Systems, das nach eigenen Angaben allen Datenschutzrichtlinien entsprechen wird. "Niemand außer dem Kunden – auch nicht Yello – erhält Einblick oder Zugriff auf sekundengenaue Verbrauchsdaten. Diese Informationen verlassen die Wohnung oder das Haus des Kunden nicht." Sollte die Aussage von Yello stimmen, hat der erstmals von der Jury unternommene Versuch, einen "präventiven Big Brother Award" zu verleihen, den Falschen getroffen. Gespannt darf man darauf sein, wenn Yello sein Datenschutzkonzept zum Sparzähler Online veröffentlicht.

Eine lange Stellungnahme schickten die Verbände der deutschen Markt- und Sozialforschung. Sie hatten den Preis in der Kategorie "Verbraucher" für eine Richtlinie zum Durchführen von Telefoninterviews bekommen, bei denen heimlich "zur Sicherung der wissenschaftlichen Qualität" mitgehört werden kann. Diese Heimlichtuerei hat seine Gründe, heißt es in der Antwort auf die Preisvergabe: "Ein telefonisches Interview zu Zwecken der Markt- und Sozialforschung ist kein privates Gespräch, sondern seine Inhalte dienen – bei strikter Wahrung der Anonymität der Beteiligten – der wissenschaftlichen Forschung." Weil die Wissenschaft strenge Maßstäbe habe, sei das Mithören zur Qualitätssicherung zulässig, denn: "Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn das normale Verhalten des Interviewers beobachtet wird. Deshalb kann er nicht unmittelbar beim Interview über das zeitweise Mithören informiert werden." An dem Verfahren wollen die Verbände unter Berufung auf die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung festhalten, auch wenn man bereits von Datenschützern bußgeldpflichtig verwarnt wurde.

[Update]:

Den Publikumspreis der deutschen Big Brother Awards, eine Live-Abstimmung aller Besucher der Preisverleihung in Bielefeld, gewann der EU-Ministerrat. Aufgerufen, den Preisträger zu nennen, der besonders auffiel oder verstörte, entschied sich die Mehrheit für die EU-Terrorliste. Nachhaltig beeindruckte die Laudatio von Rölf Gössner, Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte. Er schilderte, wie die Aufnahme in die Terrorliste dem Ausradieren der bürgerlichen Existenz eines Verdächtigen gleichkommt.

Detlef Borchers

Heise Online, Hannover, 25. Oktober 2008
Original: http://www.heise.de/newsticker/meldung/117927

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