Die "Big Brother Awards" sind die Negativpreise in Sachen Datenüberwachung. Zum zehnten Mal wurden im Rahmen einer feierlichen Gala die Anti-Preise für die schlimmsten Datensünder verliehen.
Es gibt Preise, deren Wichtigkeit man erst bemerkt, wenn man sie im Nachhinein betrachtet. Der "Big Brother Award" des FoeBud e.V. gehört dazu. Bringt er doch Genugtuung für alle, die als Arbeitnehmer überwacht, von Behörden ausgehorcht oder als Petitionszeichner von der Politik ignoriert wurden. Seit zehn Jahren zerrt der "Big Brother Award" die schlimmsten Fälle ans Licht der Öffentlichkeit; enttarnt alle, die lax, berechnend, menschenverachtend oder schlichtweg ungesetzlich mit Daten umgehen. Der Anti-Preis wird auf einer Galaveranstaltung in der Hechelei in Bielefeld verliehen. Laudatoren verlesen die "Taten" und verleihen den Preis, den keiner persönlich im Empfang nehmen will. Nur Microsoft und die Deutsche Telekom hatten das Rückgrat, ihn anzunehmen. Politisch geadelt wurde der Award dieses Jahr mit einem Grußwort von Innenminister a. D. Gerhart R. Baum.
Manche Ziele des Spotts waren dieses Jahr so breit wie ein Scheunentor. In der Kategorie Politik war erwartungsgemäß Familienministerin Dr. Ursula von der Leyen nominiert. "Sie hat innerhalb des letzten Jahres ein System von Inhaltskontrolle im Internet vorangetrieben, das zu einer Technik von orwellschen Ausmaßen heranwachsen kann. Dazu und für ihren persönlichen Wahlkampf nutzte sie sexuell mißbrauchte Knder, ohne tatsächlich irgendetwas gegen Mißbrauch zu unternehmen", so ihr Laudator Alvar Freude. Nicht wesentlich besser weg kam Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble weg. Er erhält den "Lifetime"-Award "für den Umbau des BKA in ein zentrales FBI mit geheimpolizeilichen Befugnissen."
Das Interesse an Überwachung von Bürgern oder Angestellten bringt natürlich eine neue Industrie auf den Plan, die dieses Jahr gleich im Zehnerpack ausgezeichnet wurde. "Wir sind der Meinung: Liebe Preisträger, Eure Produkte tragen dazu bei, dass unser aller Grundrechte weiter unterlaufen und sukzessive ausgehebelt werden", so Laudator Frank Rosengarten, "Technologien, die die Überwachung ganzer Gesellschaften ermöglichen, führen zu einem Klima des Misstrauens und der Angst." In der Kategorie "Sport" wurde das Organisationskomitee der Leichtathletik-WM in Berlin mit dem Preis bedacht. Das Komitee wollte Journalisten einer "Zuverlässigkeitsprüfung" durch das Polizeipräsidium unterziehen und die Personalien auch dem Verfassungschutz und dem Bundesnachrichtendienst weiterleiten. "Das erinnert an Staaten, in denen eher von einer gelenkten - also bequemen - denn einer freien Presse gesprochen werden kann", so Laudator Dr. Frederik Roggan.
Ausgeschnüffelte Bankdaten bei der Deutschen Telekom, Rasterfahndung zur Korruptionsbekämpfung bei der Deutschen Bahn, Überwachung bei Lidl: Unternehmen gehen wenig zimperlich mit ihren Arbeitnehmern um. Und so fanden sich gleich zehn Unternehmen in der Kategorie "Arbeitswelt". Darunter die Drogeriekette Müller für "Rückkehrergespräche" kranker Arbeitnehmer, die Kreisverwaltung Schleswig-Flensburg für psychische Screenings und die "KIK Textilien", die ihre Beschäftigten vierteljährlich auf private Schulden überprüfte. Der skurillste Fall: Claas Landmaschinen stattet Mähdrescher mit satellitengestützten Trackingsystemen aus. Damit lassen sich Mitarbeiter während des Fahrens überwachen - womit die Firma auch auf ihren Webseiten wirbt. Man will den Fahrer "als guten Fahrer noch besser machen." Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Anatol Locker
heute, Mannheim, 16. Oktober 2009
Original: http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/30/0,3672,7913278,00.html