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Big Brother Award stärkt Antihartzprotest

Die Verleihung des Big Brother Awards an die Bundesanstalt für Arbeit ist für Hartz-GegnerInnen ein Grund mehr zum Massenprotest am Samstag in Nürnberg.

Auf diesen Preis ist niemand stolz - und fast keiner der Gekürten holt sich die Trophäe ab: den Big Brother Award - den Negativpreis für Datenkraken. Neben Canon und Lidl ging der Preis in diesem Jahr in der Kategorie "Behörden und Verwaltung" an die Bundesagentur für Arbeit - Wasser auf den Mühlen der Hartz-GegnerInnen, die am kommenden Samstag in Nürnberg vor der Behörde demonstrieren wollen. Ein Grund mehr zum bundesweiten Protest, ein Grund mehr für Arbeitslose genau hinzusehen, welche Fragen sie da beantworten. Als inqisitorisch bezeichnete die Jury , in der unter anderem die Deutsche Vereinigung für Datenschutz, der Chaos Computer Club und die Internationale Liga für Menschenrechte vertreten sind, die Fragebögen. Nicht nur über sich selbst, sondern über Lebenspartner oder die "Haushaltsgemeinschaft" - also zum Beispiel die Wohngemeinschaft - sollen sensible Daten preisgegeben werden. Die Betroffenen wissen dann nicht einmal Bescheid über die Informationen, die die Behörde über sie gesammelt hat.

"Antragssteller werden zu Informationen verleitet, die sie weder machen müssen noch dürfen.", kritisiert Rolf Gössner, Rechtsanwalt und Juror des Big Brother Awards gegenüber Radio Z. So würden die Rechte der Arbeitslosen ausgehöhlt und sie mutierten zu gläsernen Leistungsempfängern", so der Jurist weiter.

So werden Fragen nach Vermögen, Bank- und Sparguthaben, Bargeld, Kraftfahrzeugen, Wertpapieren, Kapitallebensversicherungen, Bausparverträgen, Wertsachen und Gemälden gestellt oder Auskunft darüber verlangt, ob Angehörige mindestens drei Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit nachgehen können".

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht die Datenerhebung inzwischen in weiten Teilen für unrechtmäßig erklärt, dieses Urteil komme allerdings reichlich spät. "Die Fragebögern werden nicht vor Februar 2005 datenschutzgerecht gemacht. Bis dahin werden alle, die im Januar ihr Geld zum Leben haben wollen, mit datenschutzwidrigen Fragebögen konfrontiert werden.", kommentiert Gössner. Die Hinweise, die im Internet zur Ausfüllung der Bögen nachgeschoben wurden, dürfte die meisten der Betroffenen nicht erreichen, die ihre Bögen bereits zugestellt bekamen.

Harsche Kritik auch an der Software, mit der die Bundesanstalt die Datenerfassung vornimmt. Diese Software sei mit systematischen Fehlern behaftet, so die KritikerInnen. "Es ist erstaunlich, wie die Bundesagentur mit sensiblen Daten umgeht", stellt auch Gössner fest. Da keine Zugriffsbeschränkung eingerichtet wurde, haben 60 000 MitarbeiterInnen der Bundesagentur Zugriff auf die Daten von Millionen Antragstellern.

Eine offizielle Stellungnahme zum Negativpreis gab es weder von Seiten der Behörde, noch von der Bunderegierung. Vielleicht sei aber als indirekte Reaktion und als Erfolg zu werten, dass am Tag der Preisverleihung der Bundesminister Clement ankündigte, dass die BA eine Protkollierung der Zugriffe auf die Daten sobald als möglich realisieren werde.

Vor allem die Kritik der Jury an der Ankündigung das Bundesagentur, dass Angaben in Form von Hausbesuchen nachgeprüft werden könnten, wird von den OrganisatorInnen der Grossdemonstration am kommenden Samstag in Nürnberg ( http://www.grossdemo-nuernberg.tk) geteilt. Der Protest gilt auch dem zunehmenden Zwang, der auf Erwerbslose ausgeübt werden solle. "Was, wie so vieles, als Reform verkauft wird, ist nichts anderes als der umfassenste Angriff auf die Rechte von Erwerbslosen, die Ausweitung von Armut gekoppelt mit dem Zwang zur Billiglohn- und Leiharbeit. Der Bundesagentur für Arbeit kommt dabei die Aufgabe zu, die Leitfäden zur Umsetzung per Repression, Zwang und Kontrolle auszuarbeiten und anzuwenden.", heißt es in einem Aufruf zu einem Antikapitalistischen Block ( http://www.redside.tk) unter dem Motto "Alles für Alle".

Das Interview mit Rolf Gössner zum Thema als Audio sowie ständig aktualisierte Beiträge zur Grossdemonstration am Wochenende finden sich unter http://stoffwechsel.radio-z.net/hartzproteste

Michael Liebler

Indymedia, 04. November 2004
Original: http://www.de.indymedia.org/2004/11/97401.shtml

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