Heute werden in Bielefeld zum neunten Mal die „Big Brother Awards“ verliehen – vom Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs zum Schutze von Bürgerrechten und Datenschutz.
Gleich in sieben Kategorien werden die Big Brother Awards jedes Jahr verliehen: eine unehrenvolle Auszeichnung auffälliger Datenschutzsünder aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Europäische Union, Verbraucherschutz, Technik, Arbeitswelt und Kommunikation und Gesundheit. Der Negativ-Preis soll die Öffentlichkeit aufmerksam auf die Missstände machen und die meist arglosen Opfer schützen. In den vergangenen Jahren zeichnete der FoeBuD zum Beispiel die Deutsche Bahn dafür aus, dass sie systematisch anonymes Reisen mit den Mitteln des faktischen Zwangs -wie das Auflösen von Fahrkartenschaltern, Automaten ohne Bargeldannahme oder personalisierter Kauf im Internet -quasi unmöglich macht. Dass die Auszeichnung alles andere als schmeichelhaft ist, dürfte offensichtlich sein. Daher verweigern auch viele Sieger den Preis und tauchen zur Gala gar nicht erst auf. Diese wurde aber, ganz in Old-Hollywood Stil, richtig festlich aufgezogen.
And the Big Brother Award 2008 goes to:
An die Mitglieder des 16. deutschen Bundestages für die Erlassung mehrerer Gesetze, die eine Erhebung, langfristige Speicherung und Weitergabe von detaillierten Daten über Reisende erlauben.
An den Rat der Europäischen Union in Brüssel für die demokratisch nicht legitimierte EU-Terrorliste, in der Organisationen und Einzelpersonen als „terroristisch“ eingestuft und Sanktionen unterworfen werden.
An die deutsche Telekom AG für die illegale Nutzung von Telefonverbindungsdaten zur Bespitzelung von Telekom-Aufsichtsräten und Journalisten.
An die Yello Strom GmbH für ihre Vorreiterrolle bei der Einführung der Digitalstrom-Technik für Privatkunden. Diese Technik ermöglicht eine sekundengenaue Verbrauchserfassung jeder Wohnung und sogar einzelner Geräte und könnte damit in Zukunft zu einer detaillierten Aktivitäts-Überwachung im häuslichen Bereich genutzt werden.
An den Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e.V. (ADM) für die rechtswidrige Richtlinienempfehlung, Telefoninterviews im Bedarfsfalle auch ohne Kenntnis von Interviewern und Interviewten heimlich mitzuhören.
An Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie für die Verabschiedung des Gesetzes über das ELENA-Verfahren, ehemals „Jobcard“ genannt. Dieses Verfahren setzt eine zentrale Datensammlung der Einkommensdaten aller Arbeitnehmer voraus und ist verbunden mit der Zwangseinführung der elektronischen Signatur.
Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) für die Weitergabe von Patientendaten von 200.000 chronisch kranken Versicherten an eine Privatfirma, ohne die Versicherten über die Weitergabe zu informieren oder ihre Zustimmung einzuholen.
Die Redaktion gratuliert den Gewinnern und hofft, sie im nächsten Jahr nicht wieder an dieser Stelle erwähnen zu dürfen.
Christiane Lutz
jetzt.de, München, 24. Oktober 2008
Original: http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/452150