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Das große Spione-Outen

Datenschutz: "Big Brother Awards"

Einen Big-Brother-Award zu erhalten, ist eigentlich nichts, worauf man wirklich stolz sein kann. Der "Negativ-Preis für Datenkraken" wird von einer aus Chaos Computer Club, der Deutschen Vereinigung für Datenschutz und anderen Organisationen bestehenden Jury verliehen. In 14 europäischen Ländern sowie in Japan, Australien und in den USA werden Big-Brother-Awards vergeben.

In der Kategorie "Arbeitswelt" ausgezeichnet wurde in diesem Jahr die Deutsche Post Shop GmbH. Wird ein Beschäftiger einer Post-Shop-Agentur krank, ist er verpflichtet, einen vom Unternehmen zu bestimmenden Vertrauensarzt aufzusuchen und diesen von seiner Schweigepflicht zu entbinden.

Auch die Rundfunkgebühren-Einzugszentrale (GEZ) nimmt auf Privates wenig Rücksicht. In der Laudatio heißt es: "Der Lifetime-Award 2003 geht an die Gebühreneinzugszentrale für deren unermüdlichen Einsatz bei der bedingungslosen Ermittlung von Schwarzseherinnen und Schwarzhörern. Ohne Rücksicht auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Recht, in Ruhe gelassen zu werden, beschafft sich die GEZ seit Jahren regelmäßig und systematisch Daten von Meldebehörden, von öffentlichen Stellen, von Adresshändlern und äußerst fragwürdigen weiteren Quellen, um Menschen zu finden, die keine Rundfunkgebühren bezahlen."

Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn die GEZ mit der Handelskette Metro ein Joint Venture gründen würde. Die in der Kategorie Verbraucherschutz ausgezeichnete Metro arbeitet nämlich in ihrem Projekt "Future Store" daran, eine zur Identifizierung von Kunden taugliche Funktechnik in Deutschland zu propagieren.

Das Projekt startete im April 2003 im Extra-Markt "Future Store" in Rheinberg am Niederrhein, als der Ehrengast Claudia Schiffer vor zahlreichen Kameras einen Einkaufswagen durch den computergestützten Supermarkt schob.

Bereits damals warnte der Chaos Computer Club, dass der kleine unscheinbare Chip sich eines Tages als gemeiner Spion entpuppen könnte. Denn: "Jeder Joghurtbecher, jede Weinflasche, jeder Pullover hat eine eigene Nummer, die ohne Berührungs- oder Sichtkontakt ausgelesen werden kann. Mit dem Lesegerät vernetzt können direkt Informationen zu diesem speziellen Gegenstand aufgerufen werden, zum Beispiel der Preis. Da auch Kunden-, Kredit- oder Payback-Karten zukünftig mit diesen kleinen Chips ausgerüstet werden, sind auch wir Kundinnen und Kunden damit eindeutig zu identifizieren. Das bietet völlig neue Möglichkeiten."

Beim Bemühen um den gläsernen Kunden ist T-Online schon einen Schritt weiter: Das Unternehmen speichert gewohnheitsmäßig 80 Tage lang die IP-Nummern seiner Flatrate-Kunden. Die vom Gesetzgeber zugesicherte anonyme Internetnutzung wird so untergraben. Nicht nur T-Online hat Zugriff auf diese Daten, sondern auch die Polizei und andere "Bedarfsträger", z.B. die Geheimdienste, heißt es in der Laudatio. "Mit der langfristigen Nummernspeicherung wird aus dem Internet, das ein Instrument der Meinungsfreiheit und der freien Informationsbeschaffung sein sollte, ein Kontroll- und Überwachungsinstrument."

Dafür gab's natürlich auch einen Big-Brother-Award.

elke wittich

, 2003
Original:

© WWW-Administration, 08 Mar 06