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Schäubles Lebenswerk geehrt

Bundesinnenminister erhält »Oscar der Überwachung«. BigBrotherAwards 2009 auch für CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen und Privatfirmen

Zum zehnten Mal sind am Freitag abend in Bielefeld die deutschen »BigBrotherAwards« verliehen worden – Preisträger sind unter anderem Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (ebenfalls CDU). Zudem wurden für die Bereitstellung von Überwachungstechnik Privatfirmen ausgezeichnet.

In bisher 19 Ländern werden regelmäßig den Datenschutz und die Privatsphäre gefährdende Praktiken und deren Initiatoren mit den Negativpreisen bedacht. Sinn und Zweck ist die kritische Aufklärung über die Zunahme der Überwachung durch Staat und Privatwirtschaft. Seit dem Jahr 2000 werden die BigBrotherAwards in Deutschland an Firmen, Organisationen, staatliche Institutionen und Personen verliehen, die in besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung von Menschen beeinträchtigen oder datenschutzwidrig persönliche Informationen Dritten zugänglich machen. Die Preisskulptur ist eine von einer Glasscheibe durchtrennte, mit Bleiband gefesselte Figur.

Bundesinnenminister Schäuble erhielt in Abwesenheit den Negativpreis in der Kategorie »Lifetime« für den Umbau des Bundeskriminalamts in ein zentrales »deutsches FBI« mit geheimpolizeilichen Befugnissen zur »präventiven« Vorfeldausforschung, für die Legalisierung der heimlichen Online-Durchsuchung von Computern sowie für die Errichtung einer gemeinsamen sogenannten Antiterrordatei und einer neuen Abhörzentrale für alle Sicherheitsbehörden.

Besonders »preiswürdig« seien »Schäubles obsessive Bestrebungen, den demokratischen Rechtsstaat in einen präventiv-autoritären Sicherheitsstaat umzubauen«, so die Jury.

Als Laudator hob Rechtsanwalt Rolf Gössner Schäubles »politische Dramatisierung von Gefahrenpotentialen und das Schüren von Bedrohungsängsten«, zum Beispiel durch Warnung vor atomaren Terroranschlägen, und seine »menschenrechtswidrigen Denkanstöße« hervor. Gemeint war das Ansinnen, mutmaßliche Terroristen oder Terrorverdächtige als Feinde der Rechtsordnung rechtlos zu stellen und durch Folter erpreßte Aussagen zu nutzen.

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen wurde der BigBrotherAward in der Sparte »Politik« zugesprochen. Sie habe im letzten Jahr ein System zur Inhaltskontrolle im Internet vorangetrieben, das »zu Orwellschen Ausmaßen heranwachsen« könne. Dazu und für ihren persönlichen Wahlkampf habe sie sexuell mißbrauchte Kinder benutzt, ohne tatsächlich etwas gegen Mißbrauch zu unternehmen, so Laudator Alvar Freude vom Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft e.V.

In der Kategorie »Wirtschaft« wurden mehrere Anbieter von Überwachungstechnik für Internet und Telefon »ausgezeichnet« – namentlich Quante Netzwerke GmbH, Utimaco, Datakom/GTenSyborg, Digi-Task, Secunet, Cisco und Trovicor.

Organisator der Preisverleihung ist der Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e.V. (FoeBuD). In der diesjährigen Jury saßen zudem Vertreter der Internationalen Liga für Menschenrechte, der Humanistischen Union, der Deutschen Vereinigung für Datenschutz und des Chaos Computer Clubs (CCC) sowie des Fördervereins Informationstechnik und Gesellschaft und des Forums Informatikerinnen und Informatiker für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung.

Claudia Wangerin

Junge Welt, Berlin, 17. Oktober 2009
Original: http://www.jungewelt.de/2009/10-17/035.php

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