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Fragebogen, ausgezeichnet

Datenschützer vergaben »BigBrotherAwards« 2004 an Bundesagentur für Arbeit sowie die Bundesministerinnen für Justiz und Gesundheit.

In Bielefeld wurden am Freitag die »BigBrotherAwards« 2004 vergeben. Mit dieser »Preisverleihung« für besonders markante Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte macht eine Jury aus namhaften Datenschützern unter Leitung des Vorsitzenden der Liga für Menschenrechte, Rolf Gössner, alljährlich auf gravierende Fehlentwicklungen aufmerksam. Die zweifelhafte Ehre der Hauptpreisträgerin in der Kategorie »Politik« kam diesmal Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) für die Neuauflage des Großen Lauschangriffs zu. Sie wurde damit Nachfolgerin von Innenminister Otto Schily (BBA-Preisträger 2001), der nach Ansicht der Jury wegen seiner gesamten Politik den Award weiterhin verdient.

An Zypries kritisierte die Jury, daß sie auf den Großen Lauschangriff nicht verzichtet, obwohl ihn das Bundesverfassungsgericht im März 2004 für weitgehend verfassungswidrig erklärt hat. Nach heftiger öffentlicher Kritik hält die Ministerin am Großen Lauschangriff als Instrument der Strafverfolgung fest. Tatsächlich dient dieser, so Laudator Fredrik Roggan, weniger der realen Verbrechensbekämpfung als vielmehr der Einschüchterung von Menschen und der Aushöhlung von Grundrechten.

Frank Jürgen Weise, Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit erhielt den BigBrotherAward in der Kategorie »Behörden und Verwaltung« für die Ausgabe des 16seitigen Antragsformulars an Langzeitarbeitslose, in dem hochsensiblen Daten teils unzulässig abgefragt wurden und Informationen auch unbefugten Stellen zugänglich werden können. Damit verstieß die Bundesagentur laut Rolf Gössner massiv gegen den Sozialdatenschutz, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und den Grundsatz der Datensparsamkeit. In der neuen Kategorie »Gesundheit und Soziales“ erhielt Ministerin Ulla Schmidt (SPD) auf Anhieb den Preis für das GKV-Modernisierungsgesetz. Durch die versichertenbezogene Datenverarbeitung kommt es nach Meinung von Laudator Werner Hülsmann zu einer massiven Verschlechterung des Datenschutzes für die Patienten. Diese rechtlichen Risiken hätten durch die Verwendung moderner, datenschutzfreundlicher Technik einschließlich der Pseudonymisierung vermieden werden können.

Die Handelskette Lidl erhielt den BigBrotherAward in der Kategorie »Arbeitswelt«. Besonders auszeichnungswürdig erschien der Jury die heimliche Videoüberwachung in einigen deutschen Lidl-Filialen und dass menstruierende Mitarbeiterinnen in tschechischen Filialen zum Tragen eines Stirnbands verpflichtet worden sind, damit sie die Toilette auch außerhalb der Pausen aufsuchen durften (Laudatorin Rena Tangens).

Die Armex GmbH wurde in der Kategorie »Kommunikation« »ausgezeichnet«. Um ihr Produkt, »Track Your Kid« zu verkaufen, nutzt sie diffuse Ängste von Eltern aus und gebe ihnen ein Instrument in die Hand, mit dem ständig der Aufenthaltsort von Kindern überprüft werden kann. Laudatorin Karin Schuler: »Damit werden Kinder nicht zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern, sondern zu willigen Untertanen einer Kontrollgesellschaft erzogen.«

Ulla Jelpke

Junge Welt, Berlin, 30. Oktober 2004
Original: Nicht bekannt

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