Bielefeld - Für den Beschluss einer zentralen Anti-Terror-Datei hat die Innenministerkonferenz des Bundes und der Länder von Datenschützern den Negativ-Preis "BigBrotherAward 2006" erhalten. Fast 40 Sicherheitsbehörden von BND und Verfassungsschutz über Bundespolizei und Landeskriminalämter bis hin zum Zollkriminalamt sollten Zugriff auf personenbezogene Daten von Terrorverdächtigen und deren Kontaktpersonen erhalten, teilte der Verein FoeBuD (Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs) am Freitag zur Preisvergabe mit. Dafür gab es in der Kategorie Politik die abwertende Auszeichnung.
Der "BigBrotherAward" wird seit 1998 und in Deutschland seit dem Jahr 2000 an Unternehmen, Organisationen und Menschen verliehen, die "in besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen oder persönliche Daten Dritten zugänglich machen".
Anfang September hatten nach jahrelangem Streit die Innenminister von Bund und Ländern endgültig den Weg für eine gemeinsame Anti-Terror-Datei für Polizei und Geheimdienste freigemacht. Rund zwei Wochen später brachte die Bundesregierung die Anti-Terror-Datei auf den Weg. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach von einem unverzichtbarem Instrument im Anti-Terrorkampf. Die Datei soll stufenweise von Frühjahr 2007 an zur Verfügung stehen. Erfasst werden Mitglieder oder Unterstützer terroristischer Vereinigungen sowie gewaltbereite oder gewaltgeneigte Extremisten. Das betrifft auch so genannte Hassprediger.
Die Grunddaten wie Name, Anschrift, Geburtsdatum und -ort, Staatsangehörigkeit und Fotos sollen den berechtigten Behörden offen angezeigt werden. Ein erweiterter Datenbestand soll nur im Eilfall oder nach einer Freischaltung der speichernden Behörde im Einzelfall sichtbar werden. Dazu gehören Verbindungen zu terroristischen Vereinigungen, Bankverbindungen, Religionszugehörigkeit, Auslandsreisen, Waffenbesitz, Fahr- und Flugerlaubnisse.
Mit dieser Datei werde eine wichtige demokratische Lehre aus der deutschen Geschichte "weitgehend entsorgt", prangerte der Verein an. Dabei gehe es um die strikte Trennung von Polizei und Geheimdiensten, die eine unkontrollierbare Machtkonzentration der Sicherheitsapparate verhindern solle. Der BigBrotherAward 2006 werde bewusst präventiv vergeben, der Bundestag könne das Projekt noch stoppen.
Der Negativ-Preis wird vom Verein FoeBuD vergeben. Mit der Verleihung wollen die Organisatoren die Diskussion um Privatsphäre und Datenschutz fördern.
Neben der Innenministerkonferenz erhielten eine Negativ-Trophäe auch die Kultusministerkonferenz für das Vorhaben, Schülerdaten zu erfassen ohne diese an feste Zecke zu binden, Mitglieder des 4. Landtags von Mecklenburg-Vorpommern für die gesetzliche Erlaubnis zur verdachtsunabhängigen Tonaufzeichnung in öffentlichen Gebäuden, Plätzen und Verkehrsmitteln sowie die Philips GmbH für die Vorgabe, dass CD-Brenner ihre Seriennummer auf den Rohling schreiben und damit die Rückverfolgbarkeit ermöglichen.
Weitere Auszeichnungen gingen an den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft für Warn- und Hinweisdateien mit Daten von Millionen von Bürgern und die "Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication" (SWIFT) für die Übermittlung von Überweisungsdaten an US-Behörden.
(dpa)
stadt-anzeiger Kölner Stadt-Anzeiger, Köln, 21. Oktober 2006
Original: http://www.ksta.de/html/artikel/1161381661730.shtml