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Wenige geloben Besserung

Bremer sitzt in der Jury der BigBrotherAwards

BREMEN. Am Freitagabend wurden in Bielefeld zum achten Mal die BigBrotherAwards verliehen auch „Oscars“ für Datenkraken genannt. Als Laudator war der Bremer Autor und Jurist Dr. Rolf Gössner eingeladen. Gössner ist Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte und Mitglied der Award-Jury. In einem Gespräch mit dem Sonntags-Tipp erläuterte er den Sinn und Zweck der Preisvergabe.

In diesem Jahr wird der Negativ-Preis zum achten Mal vergeben. Was ist Ziel der Verleihung?

Diese „Oscars für Datenkraken“ sollen die öffentliche Diskussion um Privatsphäre und Datenschutz fördern und über bislang unbekannte Datenschutzskandale aufklären. Der Negativpreis geht an Firmen, Behörden und Politiker, die in besonderem Maße die Privatsphäre und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung missachten. Damit soll auf den missbräuchlichen Gebrauch von Technik und Informationen aufmerksam gemacht und das abstrakte Thema Datenschutz durch konkrete Beispiele anschaulich und allgemein verständlich gemacht werden.

Findet die Preisverleihung ausreichend Beachtung in der Öffentlichkeit?

Wir erfahren große Resonanz in der Öffentlichkeit und ein breites Medien-Echo im In- und Ausland. Der BigBrotherAward ist längst zu einem Begriff, ja zu einer Institution geworden. Die Tatsache, dass von Jahr zu Jahr mehr Nominierungen eingehen – dieses Jahr mehr als 500 – zeigt, dass der Preis als Datenschutzinstanz populär geworden ist. Es werden also mehr Fälle von Datenschutzmissbrauch gemeldet – wobei allerdings in einer vernetzten Welt nicht selten schon der Datengebrauch zum Missbrauch gerät.

Gab oder gibt es Erfolge zu vermelden? Hat die Bekanntgabe zu positiven Veränderungen geführt?

Die BigBrotherAwards schieben notwendige Debatten an, machen viele Bürger nachdenklicher im Umgang mit personenbezogenen Daten. Verbraucher sind mitunter aufmerksamer geworden und auch die ausufernden „Antiterrorgesetze“, wie etwa die biometrischen Ausweise oder die Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten, werden immer skeptischer gesehen. Erst kürzlich haben fast 15 000 Menschen in Berlin unter dem Motto „Freiheit statt Angst“ gegen den staatlichen „Überwachungswahn“ demonstriert, wie er bei der Terrorismusbekämpfung sichtbar wird.

Von wem erhalten sie die Vorschläge? Wie kommen Sie an die Informationen, beispielsweise über die Bespitzelung von Außendienstmitarbeitern durch die Novartis Pharma GmbH.

Die Vorschläge kommen aus allen Schichten der Bevölkerung, von Betroffenen und bestimmten Berufsgruppen, wie Datenschützern, Journalisten, Ärzten oder Rechtsanwälten – aber auch aus Betrieben, von Gewerkschaften, Datenschutz- und Bürgerrechtsgruppen.

Wie reagieren die Ausgezeichneten?

Recht unterschiedlich. Die einen ignorieren die Auszeichnung, die meisten bleiben der öffentlichen Verleihung demonstrativ fern, einige reagieren schriftlich und versuchen, sich zu rechtfertigen. Wenige geloben Besserung: So etwa die Software-Firma Microsoft, die die künstlerische Preistrophäe abholen ließ – mit der Zusicherung, sich die Beanstandung zu Herzen zu nehmen.

Gibt es ein Ereignis, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Es sind nicht immer nur Einzelereignisse, wie etwa die informationelle Drangsalierung von Lidl- Mitarbeiterinnen, die inquisitorische Befragung von ALG-II-Empfängern oder die Videoüberwachung am Arbeitsplatz, die im Gedächtnis haften bleiben, sondern oft genug Strukturveränderungen, wie beispielsweise die „Antiterrordatei“, mit der Polizei und Geheimdienste vernetzt werden. Weil hier – entgegen dem verfassungskräftigen Trennungsgebot zusammenwächst, was nicht zusammengehört, sind dafür im vorigen Jahr die Innenminister der Länder ausgezeichnet worden. Der frühere Bundesinnenminister Otto Schily hatte bereits 2005 für seine prekären „Sicherheitsgesetze“, auch „Otto-Kataloge“ genannt, den Lifetime-Award erhalten; doch sein Nachfolger Wolfgang Schäuble, der mit seinen grundrechtssprengenden Denkanschlägen den Bogen längst überspannt hat, muss dieses Jahr leer ausgehen – mit einem herzlichen Beileid der Jury.

Frauke Albrecht

Kreiszeitung Syke, Syke, 15. Oktober 2007
Original: http://www.ilmr.de/wp-content/Sonntagstipp-interview10-07.pdf

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