VON MARIANNE QUOIRIN
Und er bewegt sich doch. Otto Schily trat wochenlang so auf, als gewährleiste allein er die sensible Balance zwischen Sicherheit und Freiheitsrechten. Mit einer Arroganz ohnegleichen wies er alle Kritik an seinem Sicherheitspaket II zurück. Nahm er seine Rolle als Lordsiegelbewahrer des Rechtsstaats ernst oder hat er sie nur gespielt? Hat er so hoch gepokert, um das zu bekommen, worauf es ihm tatsächlich ankommt - wenigstens auf Probe ?
Der Bundesinnenminister kann ja nicht davon ausgehen, er könne wie ein Weihnachtsmann den ellenlangen Wunschzettel des Bundeskriminalamtes erfüllen und dennoch alle glücklich machen: Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin, Anwälte und Richter, Datenschützer und Länder-Innenminister. Letztere hüten ihre Polizei wie ihren Augapfel und wollen keine Bundespolizei.
Ausgerechnet am Freitag, als Schily Bereitschaft zum Kompromiss in heiklen Fragen signalisierte, verliehen ihm seine Kritiker den "Big Brother Award ". Vielleicht straft Großer Bruder Otto aber alle Lügen - und muss die schmucke Trophäe doch noch zurückgeben.
Kölner Stadtanzeiger, 27. Oktober 2001