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Otto kriegt Schnüffel-Oscar

BigBrotherAward an Noch-Innenminister und WM-OK verliehen

Der inzwischen weltweit in 18 Ländern vergebene Anti-Preis für Datenschutz-Sünder wird in seiner nunmehr sechsten deutschen Vergabe in acht Kategorien verliehen. Der scheidenen Bundesinnenminster Otto Schily wird für sein »Lebenswerk« ausgezeichnet.

Heraus sticht der Preis in der Kategorie Technik: Denn diesmal geht der Preis an keine Person oder Firma, sondern es soll auf das Thema Videoüberwachung in Deutschland aufmerksam gemachet werden. Egal, ob auf Bahnhöfen, öffentlichen Plätzen oder in Geschäften, in vielen Lebensbereichen schaut eine Kamera heimlich zu, was Menschen tun. Dies könne zu Missbrauch der Bilder führen, kritisieren Datenschützer.

Der Bielefelder Verein für bewegten und. unbewegten Datenverkehr (FoeBud) vergibt jedes Jahr den BigBrotherAward (BBA). In der Jury sitzen Mitglieder des Chaos Computer Clubs, der Deutschen Vereinigung für Datenschutz, der Humanistischen Union, des Forums Informatiker für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung sowie des Fördervereins Informationstechnik und Gesellschaft und der Internationalen Liga für Menschenrechte. Der inzwischen berühmte Anti-Preis geht an Personen und Institutionen, -die allzu leger mit Datenschutzbestimmungen umgehen. Vierzehn europäische Länder sind dieses Jahr dabei, in Prag werden die ersten tschechischen BBAs verliehen.

Otto Schilly wird er in der Kategorie »Lebenswerk« für die »Aushöhlung des Datenschutzes« mit dem Preis »geehrt«. Der scheidene Innenminister bekommt den BBA für die »undemokratische Einführung« des biometrischen Reisepasses, dessen Technik »unausgereift und unsicher« sei und dafür, dass der Pass zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung der gesamten Bevölkerung führe. Besonders erhält Schilly den BBA aber für den Ausbau des deutschen und europäischen Überwachungssystems auf Kosten der Bürgerrechte.

Auf Schilys Konto geht indirekt auch der BBA für das Organisationskomitee (OK) der Fußball-WM. Auf sein Drängen finden sich auf den WM-Tickets RFID-Schnüffel-chips. Damit werde eine höchst umstrittene Kontrollte chnik in Deutschland salonfähig gemacht.

In der Kategorie »Kommunikation« geht ein BBA an den Generalstaatsanwalt des Landes Schleswig-Holstein für die großflächige Fahndung nach Zeugen mittels Handy-Ortung. Folgerichtig erhält auch der Hessische Innenminister Volker Bouffier den BBA »Politik«. Ihm wird der Einsatz von so genannten IMSI-Catchern vorgeworden. Das umstrittene Gerät gaukelt Handys vor, die berechtigte Basisstation des Netzbetreibers zu sein, und ermöglicht so das Orten und Abhören von Mobiltelefonen. Ein weiterer Politiker bekommt den BBA »Behörden und Verwaltung«: Medersachsens Ministerpräsident Christian Wulff wird für seine »Zerschlagung der Datenschutzverordnung« ausgezeichnet.

Auch die Äcker sind vor »Datenschnüfflern« nicht mehr sicher. In der Kategorie »Wirtschaft« geht der Anti-Preis an die Saatgut Treuhand Verwaltungs GmbH für die Datensammlung über Bauern. Die GmbH soll mehrere tausend Landwirte verklagt haben, die keine Auskunft über ihr Saatgut geben wollten. Der BBA »Regional« schließlich geht an die Grundschule Enniglo, die ohne Einwilligung der Eltern Namen von Schulanfängern an Geldinstitute zum Zwecke der Werbung (»Startkonto«) weitergab.

Robert Meyer

Neues Deutschland, Berlin, 29. Oktober 2005
Original: Nicht bekannt

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