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Big-Brother-Awards

Spionagesoftware soll über Sicherheitslücken im Internet-Telefondienst Skype auf PCs und Smartphones installiert werden, das Spielverhalten von Online-Spielern wird überwacht und in der Schule werden die Daten von Schulkindern durch Wasserspender gesammelt. Derlei Aktionen qualifizieren für den Negativpreis der Datenschützer.

Freitag der 13. - kein guter Tag für Hans Peter Friedrich, Markus Ulbig, die Firmen Blizzard Entertainment, Gamma International, Bofrost, Brita und den Trend zur Cloud in der IT. Denn dies sind die diesjährigen Preisträger der Big Brother Awards. Dieser Preis wurde am Freitag in sechs Kategorien zum zwölften Mal vom Bielefelder Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBuD) vergeben. Der Preis wird seit 2000 jährlich verliehen und sei inzwischen zu einer festen und viel beachteten Institution geworden, auch über Deutschlands Grenzen hinaus, meinte Rena Tangens vom FoeBuD gegenüber »nd«.

Zu den Zielen der Big Brother Awards gehöre es, Bewusstsein dafür zu schaffen, wie Menschen aus Angst vor Überwachung ihr Verhalten änderten, führt der Verein aus. Denn wer ständig beobachtet, registriert und erfasst werde, verändere mit der Zeit sein Verhalten und richte es nach den Erwartungen derer, die diese Daten auswerten. Das führe dazu, dass viele sich nicht mehr trauten, ihre von der Verfassung garantierten Rechte wie freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit in Anspruch zu nehmen. »Damit geht der Gemeinschaft eine Vielfalt von Ideen, Meinungen und Talenten verloren.« Es drohe ein Überwachungsstaat mit einem Leben in Angst, wie es George Orwell in seinem Roman 1984 beschrieben hat - »Big Brother is watching you«, der große Bruder passt auf. Behörden und Verwaltung

In der Kategorie Behörden und Verwaltung entschied sich die Jury des Vereins für den sächsischen Innenminister Markus Ulbig (CDU), weil er die Funkzellenabfrage in Dresden im Februar 2011 nach den Protesten von 20 000 Menschen gegen einen Nazi-Aufmarsch zu verantworten hat. Die uferlose Datenerhebung führte zu über einer Million Datensätze von 323 503 Handybesitzern. Diese Daten wurden in Ermittlungsverfahren verwendet, für die eine Funkzellenabfrage normalerweise nicht genehmigt worden wäre. Bei der nur zögerlich und stückweise zugegebenen Datenerfassung gerieten auch Menschen ins Visier, die in dem überwachten Gebiet leben oder arbeiten. Der FoeBuD bezeichnet dies als ungesetzliche »spontane Vorratsdatenspeicherung«, zumal die Daten bis heute nicht gelöscht wurden. Wirtschaft

Die Firma Brita vertreibt unter dem Namen »Schoolwater« Wasserspender für Schulen. An diesen Geräten ist die Ausgabe des normalen Leitungswassers nur mittels spezieller, von der Firma gelieferter Flaschen möglich, angeblich um Missbrauch zu verhindern, so der Foebud. Diese Flaschen enthalten einen kleinen Chip, der Daten übermittelt. Die Eltern kaufen eine dieser Flaschen, geben über das Internet ihre persönlichen Daten an, die Firma schaltet die Flasche frei und los geht's - mit dem Datensammeln. Die Eltern wurden über die heimliche Erhebung der Bewegungs- und Nutzungsdaten ihrer Kinder nicht informiert. Das war der Jury einen Preis in der Kategorie Wirtschaft wert. Politik

Den Preis in der Kategorie »Politik« erhielt Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), sowohl für die Einrichtung eines Cyber-Abwehrzentrums als auch für die Einrichtung eines gemeinsamen Abwehrzentrums gegen Rechtsextremismus (GAR) ohne Legitimation des Bundestages. Er hebe dadurch die von der Verfassung gebotene strikte Trennung zwischen Polizei, Geheimdiensten und Militär teilweise auf.

Die Bekämpfung der Neonazis scheitere aber nicht an technischen Problemen, so FoeBuD, sondern an »ideologischen Scheuklappen« der Sicherheitsbehörden und einem »dubiosen V-Leute-System des Verfassungsschutzes«. Arbeitswelt

Der Tiefkühlhersteller Bofrost ging gegen seine Betriebsratsmitglieder vor, indem er heimlich die Daten eines Betriebsratscomputers auswertet, obwohl das vom Arbeitsgericht über zwei Instanzen hinweg untersagt wurde, teilt der FoeBuD mit. Die aufgrund der illegalen Datenspionage ausgesprochene Kündigung eines Betriesrats wurde vom Gericht ebenfalls für unzulässig erklärt. Auf einem anderen Betriesratscomputer wurde Fernbedienungs-Software installiert, um darüber auf Daten der Mitarbeitervertretung zuzugreifen. Auch das wurde gerichtlich für unzulässig erklärt. Bofrost scheint »den Schutz der Persönlichkeitsrechte von Arbeitnehmern vollständig verschlafen zu haben«. Kommunikation

Cloud-Computing war das Zauberwort der diesjährigen CeBIT-Messe und die Dienste der zahlreichen Anbieter werden immer beliebter. Daten, die bisher auf dem eigenen Computer gespeichert wurden, werden nun über das Internet auf Computern großer Rechenzentren abgelegt. Dabei werden deren Programme und Computer nicht nur als entferntes Speichermedium genutzt, sondern auch, um Informationen zu verwalten und zu bearbeiten. Die Anbieter sind überwiegend Firmen mit Sitz in den USA und damit haben US-amerikanische Behörden uneingeschränkten Zugriff auf sämtliche Daten und Dateien.

Die Nutzer verlieren die Kontrolle über ihre Daten, so die Kritik der Datenschützer. Unter dem Vorwand der Terrorabwehr haben US-Behörden sogar Zugriff auf verschlüsselte Daten, da die Anbieter einen Generalschlüssel besäßen, den sie auch einsetzten, um zielgruppenorientierte Werbung zu schalten. Neue Gerätegenerationen wie Smartphones und Tablet-Computer werden gezielt dafür ausgelegt, dass Nutzer ständig online sein müssen, also »an der Leine gehalten« werden, denn die ständige Verbindung zum Internet ergibt zugleich eine Abhängigkeit vom Internet. Technik

»FinFisher« nennt die Firma Gamma Group ihre Software zum Eindringen in Computersysteme, um dort Überwachungsprogramme zu installieren, ähnlich dem Bundestrojaner. Um ihre Software auf die Computer und Smartphones der »Verdächtigen« zu bekommen, geht sie ungewöhnliche Wege: Sie nutzt Sicherheitslücken im Internet-Telefondienst Skype und in iTunes, dem Download-Dienst von Apple. Die Software wurde von der ägyptischen Staatssicherheit verwendet und wird in Deutschland gerade vom Bundeskriminalamt getestet. Das war den Datenschützern einen Preis in der Kategorie Technik wert.

Die Negativpreise Big Brother Awards prangern Politiker, Firmen und Organisationen an, »die in besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen oder persönliche Daten Dritten zugänglich machen«. Die Preise wurden gestiftet, »um die öffentliche Diskussion um Privatsphäre und Datenschutz zu fördern – sie sollen missbräuchlichen Umgang mit Technik und Informationen zeigen«, so die Selbstbeschreibung.

Uwe Sievers

Neues Deutschland, Berlin, 14. April 2012
Original: http://www.neues-deutschland.de/artikel/224097.big-brother-awards.html?sstr=big

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