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Zweifelhafte Ehren für den Innenminister

Für Datenschützer ist er schon lange ein beliebtes Feindbild: Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) mit seinem Einsatz für Telefonüberwachung, Vorratsdatenspeicherung und Rasterfahndung. Schlagzeilen machte er zuletzt auch, weil er die bundesweit erste Überwachungsdrohne bei einer politischen Veranstaltung hat fliegen lassen. Und das macht ihn jetzt sogar preiswürdig. Schünemann hat am Freitagabend den "BigBrotherAward" verliehen bekommen - allerdings in Abwesenheit. Denn persönlich holte sich der Minister den Negativpreis für Datensammelwütige bei der Gala in Bielefeld nicht ab. "Es zeigt, dass die Welt in Ordnung ist"

Gorleben-Gegner heimlich ausgespäht

Im November 2010 rollten die Castoren durchs Wendland Richtung Gorleben - begleitet von massiven Protesten der Atomkraftgegner. Was die Demonstranten nicht wussten: Über ihren Köpfen kreisten Mini-Überwachungsdrohnen."Unzählige Demo-Teilnehmer wurden heimlich ausgespäht und das ist ein Problem", sagte Anwalt und Menschenrechtler Rolf Gössner im Interview mit NDR.de. Gössner hielt die Laudatio auf Schünemann. "Erstens gibt es keine rechtliche Grundlage für den Einsatz eines solchen fliegenden Auges. Und zweitens könnten sich die Demonstranten beeinträchtigt fühlen und Angst haben vor einer weiteren Verwendung dieser Aufnahmen."

Gössner ist die Rede ein besonderes Anliegen. Der Vize-Vorsitzende der Internationalen Liga für Menschenrechte stand nach eigenen Angaben fast 40 Jahre - von 1970 bis 2008 - unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Ihm seien Kontakte zu angeblich linksextremistischen Gruppen unterstellt worden. Vor dem Verwaltungsgericht Köln erwirkte Gössner Anfang Februar, dass diese Bespitzelung für rechtswidrig erklärt wurde.

Preise auch für Daimler und Facebook

Schünemann hat den Preis in der Kategorie "Politik" nach 2003 bereits zum zweiten Mal bekommen. Und er steht auch diesmal in einer illustren Runde von Preisträgern: So ist Facebook Deutschland der Award in der Kategorie "Kommunikation" verliehen worden - "für die gezielte Ausforschung von Menschen und ihrer persönlichen Beziehungen hinter der netten Fassade eines vorgeblichen Gratisangebots", so die Jury. In der Kategorie "Arbeitswelt" ist Daimler ausgezeichnet worden - und zwar für Bluttests, die von den Mitarbeitern eingefordert werden.

"Daten-Kraken" am Pranger

Um Datenschutz-Probleme öffentlich anzuprangern, wird der "BigBrotherAward" seit dem Jahr 2000 jährlich an Einzelpersonen, Firmen und Organisationen vergeben. Die Preisträger - ob Otto Schily, Ursula von der Leyen, die Telekom oder die Deutsche Bahn - sollen stets in besonderer Weise die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigt haben. Den Award vergibt der Bielefelder Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs, kurz FoeBuD, zusammen unter anderem mit dem Chaos Computer Club (CCC) und der Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD).

Norddeutscher Rundfunk, Hamburg, 01. April 2011
Original: http://www.ndr.de/regional/niedersachsen/bigbrother101.html

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