Gerade noch die Preisverleihung der deutschen BigBrotherAwards in Bielefeld läuft, die Gewinner stehen aber schon fest. Keine Überraschung ist die Verleihung für das “Lebenswerk” an Otto Schily.
Hier sind die Preisträger nach Kategorien sortiert:
Grundschule Ennigloh bei Bünde sowie die Volksbank Bad Oeynhausen Herford eG und die Sparkasse Herford:
Für die Weitergabe der Namen von Schulanfängern an die genannten Geldinstitute zum Zwecke der Werbung ohne Einwilligung der Eltern.
Der Hessische Minister des Inneren, Volker Bouffier:
Für das “präventive” Orten und Abhören von Mobiltelefonen; für die DNA-Analyse bei Kindern unter 14 Jahren, die eine Straftat begangen haben, für deren zukünftige Strafverfolgung; für die Befugnis der hessischen Polizei, KFZ-Kennzeichen auch ohne Straftatverdacht zu scannen und für den Einsatz von Videoüberwachung bei Personenkontrollen.
WM-Organisationskomitee des Deutschen Fußballbundes, vertreten durch Franz Beckenbauer:
Für die inquisitorischen Fragenbögen zur Bestellung von WM-Tickets, für die geplante Weitergabe der Adressen an die Fifa und deren Sponsoren und für die Nutzung von RFID-Chips in den WM-Tickets und damit den Versuch, eine Kontrolltechnik salonfähig zu machen zum Nutzen eines WM-Sponsors (RFID-Hersteller Philips).
Videoüberwachung allerorten - diverse Kandidaten:
Der Big Brother Award 05 in der Kategorie Technik geht an einige ganz eifrige Überwachungsfetischisten für die schleichende Degradierung von Menschen zu überwachten Objekten und der Verharmlosung der Folgen von flächendeckender Überwachung.
Generalstaatsanwaltschaft des Landes Schleswig-Holstein, vertreten durch Erhard Rex:
Für die großflächige Fahndung nach Zeugen (die wie Verdächtige behandelt wurden) mittels Handy-Ortung. Es handelt sich um die erste Funkzellen-Massenabfrage - Mobilfunkunternehmen wurden zur Herausgabe sämtlicher Verbindungsdaten einer Region gezwungen. Die Einsicht in die zugehörigen Akten wurde den Datenschützern des Landes Schleswig-Holstein, die den Fall prüfen wollten, verweigert.
Regierung des Landes Niedersachsen, vertreten durch den Ministerpräsidenten Christian Wulff:
Für die Zerschlagung der Datenschutzaufsicht in Niedersachsen. Die Aufsicht über den Datenschutz in der Wirtschaft soll ab 01.01.2006 dem niedersächsischen Innenministerium zugeordnet werden. Dies konterkariert das jüngst von der EU-Kommission gegen Deutschland eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren wegen Missachtung der EU-Datenschutzrichtlinie. Die EU-Richtlinie fordert völlige Unabhängigkeit der Datenschutzaufsicht.
Die Saatgut Treuhand Verwaltungs GmbH, vertreten durch Geschäftsführer Dirk Otten:
Für Datensammlung über Bauern; Verklagen von mehreren tausend auskunftsunwilligen Landwirten; Beschaffung der Kundendaten von Genossenschaften und verdeckte Testeinkäufe bei Bauern. Die Bauern werden von der Saatgut Treuhand verdächtigt, Kartoffeln oder andere Feldfrüchte aus ihrer eigenen Ernte zur Aussaat im nächsten Jahr zu verwenden. Für den Aufbau einer zentralen Kontrollstruktur zum Eintreiben der sogenannten Nachbaugebühren im Dienste der Saatgutindustrie.
Otto Schily, noch amtierender Bundesminister des Inneren:
Aktuell für die undemokratische Einführung des biometrischen Reisepasses, dessen Technik unausgereift und unsicher ist und der zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung der gesamten Bevölkerung führt.
Otto Schily erhält den Preis auch für sein “Lebenswerk”, nämlich für den Ausbau des deutschen und europäischen Überwachungssystems auf Kosten der Bürger- und Freiheitsrechte und für seine hartnäckigen Bemühungen um die Aushöhlung des Datenschutzes unter dem Deckmantel von Sicherheit und Terrorbekämpfung.
Markus Beckedahl
netzpolitik.org, Berlin, 28. Oktober 2005
Original: http://www.netzpolitik.org/2005/die-gewinner-der-deutschen-bigbrotherawards/