11. Feb. 2003
Jetzt steht es fest: Rabatte gibt es bei der Payback-Karte nur gegen wirtschaftlich verwertbare Daten über das persönliche Konsumverhalten. Das Landgericht München hat die Berufung des Vereins FoeBuD gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 5. September 2002 abgewiesen, nach dem die Kündigung der Payback-Karte des Vereins durch die Karten-Betreiber nicht zu beanstanden sei. Der FoeBuD hatte sich gegen den Willen der Payback-Betreiber mit einer eigenen, der sogenannten Privacy-Karte am Punktesammeln beteiligt, um auf die Gefahren des Payback-Systems aufmerksam zu machen.
Der Verein FoeBuD engagiert sich seit Jahren für den Datenschutz, unter anderem durch die jährliche Verleihung des Negativ-Datenschutz-Preises "Big Brother Award". Das Unternehmen "Loyalty Partner", das die Payback-Karte betreibt, erhielt diesen "Preis" bereits im Jahr 2000.
Punkte sammeln ist in, und die Portemonnaies von 15 Millionen Deutschen sind mit entsprechenden Karten gefüllt: Harmlos ist die papierene Rabattkarte des Bäckers um die Ecke, der Kunden nach 100 Einkäufen eine Teigware umsonst spendiert. Gefährlich sind nach Ansicht von Datenschützern und Bürgerrechtlern dagegen Kundenkarten, die es den Betreibern ermöglichen, Einkäufe detailliert zu speichern und einer Person zuzuordnen. An Payback beteiligt sind Handelsketten wie "real", "OBI", "DEA", "Kaufhof" und "Europcar". Payback ist in allen Geschäften dieser und einer ständig wachsenden Zahl weiterer Unternehmen gültig. Sie ist die Rabatt-Karte Nummer 1 in Deutschland, die mehr Umsatz macht als alle anderen Rabattsysteme zusammen.
"Sind Sie bereit für den Prämien-Hammer des Jahres? Möchten Sie ein Top-Produkt über 35 Prozent günstiger bekommen als der Rest der Welt? Dann auf die Punkte, fertig, los", wirbt Payback. Bei jedem Einkauf kann die Karte an der Kasse vorgelegt werden, und Punkte werden gutgeschrieben. Wer für zehn Euro einkauft, erhält zehn Punkte. Wer kennt nicht die mechanische Ansage der Kassiererin: "Haben Sie die Punktekarte?" Ab 1500 Punkten können die Punkte in Geld oder Prämien getauscht werden, ab 7500 Punkten winken "Top-Produkte". Bis dahin ist es zwar ein weiter Weg, und es müssen viele Schweinesteaks oder Tankfüllungen erworben werden, aber die Karte wird trotzdem häufig genutzt, suggeriert sie den Kunden doch, dass sie beim Einkauf einen Gewinn machen können. Auch die multikulturelle Bevölkerung Deutschlands scheint den alten Spruch zu bestätigen, nach dem die Deutschen ein Volk von Schnäppchenjägern sind.
Dass die Payback-Karte allerdings ein zweifelhaftes Schnäppchen ist, kommt dabei den wenigsten in den Sinn. Wer die Payback-Karte nutzt, zahlt in Wirklichkeit den Normalpreis, wer ohne Karte einkauft, zahlt drauf. Die Journalistin und Datenschutz-Expertin Christiane Schulzki-Haddouti zitiert die US-amerikanische Verbraucherlobby, die regelmäßig Supermärkte beobachtet, und herausfand, dass in Läden mit Rabattkarte die Preise um 20 Prozent höher seien als in Supermärkten ohne Karten. Rabattkarten haben also die Funktion, im Dschungel von Warenanbietern Kundenbindung herzustellen. Die Punkte sollen dabei die Treue belohnen. Kritiker sagen: Wer bei den Payback-Partner-Unternehmen nicht draufzahlen will, wird zum Einsatz der Karte genötigt. Während viele Kunden der Karte pragmatisch-positiv gegenüber stehen, nach dem Motto: "Wenn schon einkaufen, dann auch sparen", sorgen sich andere darüber, dass sie nicht wissen, was mit ihren Daten passiert. Oft genug aber nur in der Theorie: Eine "Fee_Sarah" schreibt beispielsweise im Internet-Portal yopi.de: "Ich persönlich habe kein Problem damit, denn ich tätige meine Einkäufe ganz gewöhnlich. Also werde ich sicher nicht zu den interessantesten Payback-Punktesammlern gehören".
"Kunden sammeln bei Payback nicht nur Rabattpunkte, sie geben auch ihre Privatsphäre preis", sagt Thilo Weichert, Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Datenschutz. Gemeint ist der "gläserne Kunde", der sich für Rabatt-Punkte in seinem Kaufverhalten ausforschen lässt. Dabei sind auch "gewöhnliche" Kunden von Interesse. Die Betreiber von Payback, das Unternehmen "Loyalty Partner", kann die Daten der einzelnen Einkäufe zu einem Kundenprofil verknüpfen. Bereits bei der Anmeldung wird im Bereich der verpflichtend auszufüllenden Felder nach Geburtsdatum und E-Mail-Adresse gefragt. Für den Kauf von Toastbrot ist es aber eigentlich irrelevant, ob der Käufer 18 oder 80 Jahre ist und über eine E-Mail Adresse verfügt. Interessiert sich ein Unternehmen dennoch für solche Daten, hat es wohl noch anderes im Sinn, als Rabattpunkte auszuschütten. Die Payback-Anmeldung erzwingt zudem die Zustimmung zur Nutzung der Daten zu Werbe- und Marketingzwecken. Die Daten, die die Kunden bei ihren Einkäufen mit Payback hinterlassen, kann Loyalty Partner an die Partner-Unternehmen innerhalb des Payback-Verbundes weiterreichen. Bei Loyalty Partner laufen alle Daten zusammen. Das Unternehmen agiert dabei auch als sogenannter "List-Broker": Daten werden zwar nicht verkauft, als Dienstleister macht Loyalty Partner aber Werbekampagnen für andere, nicht an Payback beteiligte Unternehmen und nutzt dazu den eigenen Daten-Pool. Kritiker wie der FoeBuD spinnen den Faden weiter und zeichnen Szenarien, die bedenklich stimmen: Wie wäre es beispielsweise, wenn Kunden einer Krankenkasse angeschrieben werden, sie würden zu viel Tabak kaufen - wobei die Daten darüber aus einem Kartenrabatt-System stammen - und müssten zukünftig mehr Beitrag zahlen?
Mangelnde Privatheit und mangelnde Transparenz, was mit den Daten passiert, sind dann auch die Hauptkritikpunkte des FoeBuD an Kundenkarten wie Payback: Wer bei diesen Karten mitmache, erfahre nicht, was mit seinen Daten passiert. Zudem sei für die Kunden im Falle der Payback-Karte nicht ohne weiteres nachvollziehbar, wer dieses Rabattsystem überhaupt betreibe, kritisiert padeluun vom FoeBuD. Da trete zum einen der "Payback Rabattverein e.V." mit Sitz in München auf. Rabattverein hört sich nett an, tatsächlich aber stecke besagte "Loyalty Partner Gesellschaft für Kundenbindungssysteme mbH" dahinter. Loyalty Partner wiederum gehöre zu 67 Prozent der "Lufthansa Commercial Holding GmbH". Lufthansa stand im Sommer 2002 in der Kritik: Häftlinge in Glasmoor sollten abgeflogene Lufthansa-Flugscheine glätten, säubern und sortieren. Durch die Hände der Häftlinge gingen aber auch zahlreiche Miles & More Gutschriften mit sensiblen Daten. Miles & More ist ein Flugrabatt-System mit inzwischen sieben Millionen Teilnehmern. So soll unter anderem die Geheim-Nummer der American-Express Karte von Top-Model Claudia Schiffer auf diesem Wege und gegen bare Münze auf den Daten-Schwarzmarkt gelangt sein. Auch bei der Flugäffare im Juli 2002, wo Politiker dienstlich erworbene Bonus-Meilen für private Zwecke verbrauchten, stand die Lufthansa im Verdacht, Daten weitergegeben zu haben.
Unkontrolliertes Datensammeln mittels Rabattkarten veranlasste FoeBuD im vergangenen Jahr, eine abgewandelte Payback-Karte in Umlauf zu bringen. Die Privacy-Karte, die sich optisch von der Payback- Karte abhebt, war dank eines kleinen Tricks in allen Geschäften des Payback-Verbundes nutzbar: FoeBuD wurde Mitglied bei Payback, erhielt eine Karte samt Mitgliedsnummer und Strichcode - der an den Kassen zwecks Registrierung der Bonus-Punkte eingelesen wird - und druckte diese Informationen auf die eigene Privacy-Karte. Der Effekt: Da innerhalb weniger Monate 1500 Privacy-Karten mit dem gleichen Code im Umlauf waren, konnte Loyalty Partner nicht mehr nachvollziehen, wer da eigentlich einkauft. Die Punkte liefen alle auf einem Konto ein und kamen dem Verein FoeBuD zugute, unter dem Motto: "Punkte sammeln für den Datenschutz". Als Loyalty Partner - nicht durch Alarmmeldungen im Datensystem sondern auf Grund von Journalisten-Nachfragen - Wind von der Geschichte bekam, kündigte man FoeBuD die Mitgliedschaft. Obwohl die Privacy-Karten bis heute an den Ladenkassen funktionieren, bekommt FoeBuD seit Dezember 2001 keine Punkte mehr gutgeschrieben.
Damit begann der Rechtsstreit. Payback berief sich auf die eigenen Geschäftsbedingungen, die eine fristlose Kündigung "aus wichtigem Grund" möglich machen. Als Ersatz für die Privacy-Karte bot das Unternehmen an, man könne ja 1000 "original" Payback-Karten zur Verfügung stellen, die als Zweitkarten - mit jeweils unterschiedlicher Kundennummer und also wieder einzelnen Personen zuzuordnen - auf das FoeBuD-Konto verlinkt seien. FoeBuD hingegen klagte auf Fortführung des ursprünglichen Vertrages, denn man habe sich vertragskonform verhalten und den Payback-Unternehmen durch die Privacy-Karte 22.000 Euro Umsatz beschert.
Am 5. September urteilte das Amtsgericht München, die Klage auf Nichtigkeit der Kündigung werde abgewiesen. Die Vervielfältigung der Payback-Karte verstoße gegen die Geschäftsbedingungen. Nach diesen sei nur eine einzige sogenannte "Zweitkarte" zulässig, die allerdings nicht personengebunden sei.
FoeBuD beantragte Berufung und betonte, eine Vervielfältigung der Payback-Karte habe gar nicht stattgefunden, es hätte sich lediglich um die Weitergabe der Kundennummer als natürliche Zahl gehandelt, die mit einer selbstgestalteten Karte weitergegeben wurde. Zu diesem Zweck hätte die Nummer auch handschriftlich auf einem Zettel weitergegeben werden können. Die Weitergabe der Nummer wäre auch nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Loyalty Partner nicht zu beanstanden. Das Münchner Landgericht folgte dieser Auffassung jedoch nicht und wies die Berufung ab: Neue Argumente seitens des Klägers FoeBuD seien nicht zu erkennen. Damit ist das Verfahren abgeschlossen.
"Die Ausführungen seitens des Gerichts sind unbefriedigend. Die Berufung hätte zugelassen werden müssen", erklärt FoeBuD-Mitarbeiter padeluun. Die Ablehnung der Berufung sei eine Niederlage für die Verbraucher: "Die Privacy-Karte sollte dem praktischen Verbraucherschutz dienen". Die Privacy-Karte sei aber dennoch ein Erfolg gewesen, weil durch die Aktion viele Menschen auf die Fallstricke von Kundenrabatt-Karten aufmerksam geworden seien.
NGO Online, 11. Februar 2003
Original: http://www.ngo-online.de/ganze_nachricht.php4?Nr=5498