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Flanieren unter Video-Augen

Hamburg (dpa) - Immer mehr Deutsche bewegen sich in den Städten unter den Kameraaugen des Gesetzes. "In Deutschland sind derzeit etwa 20 Überwachungsanlagen im öffentlichen Raum installiert, die es zusammen vielleicht auf 50 Kameras bringen" sagt Andreas Kohl, Autor einer Studie des Europäischen Zentrums für Kriminalprävention (EZK).

"Von englischen Verhältnissen, wo manche Großstädte flächendeckend mit 50 bis 100 Kameras überwacht werden, sind wir weit entfernt." Einen "gleitenden Übergang in die Überwachungsgesellschaft" nennt der englische Bürgerrechtler Simon Davies diese Entwicklung, die in Großbritannien bereits über zwei Millionen Überwachungskameras hervorgebracht habe. Vielleicht liegt es an der im Vergleich dazu moderaten Anzahl hiesiger Kameras, dass die Bevölkerung einstweilen gelassen bleibt.

Fazit der Studie ist, dass "in den nächsten Jahren weitere Anlagen geplant und errichtet werden". Die Befragten hätten die Technik zur Kriminalitätsbekämpfung "grundsätzlich optimistisch, wenn auch nicht euphorisch" beurteilt. Für die Studie, die zusammen mit dem Bundesverband der Hersteller- und Errichterfirmen von Sicherheitssystemen BHE erstellt wurde und dort zu beziehen ist, wurden hochrangige Vertreter von Polizei und Kommunen in den 50 größten deutschen Städten befragt.

Diebstahl, Drogen- und Gewaltdelikte sind es meist, die den Ruf der Stadtoberen nach den Kameras laut werden lassen. "Von 80 beobachteten Fällen waren 21 Betäubungsmitteldelikte und 9 Körperverletzungen", resümiert Thomas Köber, Leiter des Führungs- und Einsatzstabes im Polizeipräsidium Mannheim, nach acht Monaten Videoüberwachung. Die Liste der Erfolge reicht bis zur Beobachtung von "illegalem Tauben füttern" - immerhin eine Ordnungswidrigkeit. Aber: "Die Penner bleiben, die stört das nicht."

Konsequenzen ziehen jedoch die Straftäter und weichen aus. Erfahrungen aus England hätten gezeigt, dass Videokameras mit der Zeit einen Teil ihrer Wirkung einbüßen, weil Straftäter lernen, damit umzugehen, so die EZK-Studie. "Mit einer Verdrängung in andere Bereiche der Stadt müssen wir rechnen", räumt Lechner ein. "Wir wollen jedoch verhindern, dass sich die Drogenszene im Zentrum festsetzt, weil dort die Sogwirkung am größten ist."

"Durch die Überwachung von "Angstträumen" kann das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung verbessert werden", meint Mannheims Polizeistabschef Köber. Den Polizisten aus Fleisch und Blut hat dagegen im Ernstfall die Künstlerin Rena Tangens lieber. Sie ist Mitglied in der Jury des deutschen Big Brother Award. Unter der ironischen Parole "Mutig warf sich die kleine Kamera zwischen Täter und Opfer" setzt sie sich gegen Überwachung ein.

Bürgerängste vor einer totalen Überwachung haben wohl auch damit zu tun, dass ein gelangweilter Polizist "einen visuellen Streifzug durch Büros und Schlafzimmer" machen könnte, so der ehemalige Berliner Justizsenator Wolfgang Wieland (Grüne). Solchen Verdächtigungen begegnen die Betreiber der Anlagen teilweise durch technische Maßnahmen: Am Ravensberger Park in Bielefeld etwa blendet die Kamera den Blick auf angrenzende Wohnhäuser und einen Sex-Shop automatisch aus.

Thüringische Landeszeitung, Neue Ruhr/Rhein Zeitung, 05. Juli 2002
Original 1: http://www.tlz.de/tlz/tlz.wissenschaft.volltext.php?id=50735&zulieferer=dpa&catchline=%2FServiceLine%2FTechnik_\ Telekommunikation%2FBerichte&kategorie=&other=
Original 2: http://www.nrz.de/nrz/nrz.wirtschaft.volltext.php?id=50735&zulieferer=dpa&catchline=%2FServiceLine%2FTechnik_\ Telekommunikation%2FBerichte&kategorie=&other=

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