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Datenschutz und Datenschmutz

AUSZEICHNUNG / Die diesjährigen "Big Brother Awards" brandmarken auch, was bis dato das Siegel "unbedenklich" trägt.

BIELEFELD. Die Freude hielt sich gestern sehr in Grenzen, bei Dirk Teubner, Geschäftsführer des Gladbecker Unternehmens Armex GmbH. Genau gesagt, war sie nicht annähernd vorhanden. Teubner war einer der Preisträger, die gestern vom Verein zur Förderung des öffentlichen und bewegten Datenverkehrs (Foebud) in Bielefeld die diesjährigen "Big Brother Awards" verliehen bekamen. Ein Preis, der nichts Gutes bedeutet.

"Track your Kid" heißt der Dienst, den Teubner anbietet. Ein Service, mit dem sich Handys orten lassen und den Teubner vor einem Jahr speziell für Eltern auf den Markt brachte, die per Mobilfunk-Peilung Gewissheit bekommen, wo ihre Kinder sind - sofern die ein Handy mit sich führen. "Ist doch eine gute Sache", findet der Firmenchef. Und 7000 Kunden bisher finden das angeblich auch. Der Foebud aber zählt Armex damit zum Kreis der "Datenkraken" - der Personen, Institutionen und Unternehmen, die die Bielefelder Datenschutz-Gemeinde "als Schnüffler, Gierhälse und Trickbetrüger der Datennetze" brandmarkt.

Derart tituliert reihte sich denn auch Teubner gestern in die Riege der Gekürten ein, die den Preis nicht in Empfang nehmen mochten. Das hatte bisdato vor zwei Jahren nur ein Vertreter von Microsoft getan.

Vielmehr sieht sich Teubner ungerecht behandelt. Denn während die Foebud-Jury seiner Firma vorwirft, "ein elektronisches Gängelband" erfunden zu haben und "Geld mit den Ängsten von Eltern" zu machen, faxte Teubner auf NRZ-Anfrage die Stellungnahme der NRW-Landesdatenschutzbeauftragten. Die bekundete Armex am 11. März dieses Jahres, dass bei Track your Kid "durchgreifende datenschutzrechtliche Bedenken nicht bestehen".

Ähnlich verärgert wendete sich gestern auch die Uni Paderborn zu Wort. Ihr kreidet der Foebud die vor knapp zwei Jahren installierte Video-Überwachung von Hörsälen und Rechnerräumen an. Damit verfalle die Uni "dem Irrglauben unserer Zeit, dass ´Überwachung´ mit ´Sicherheit´ gleichzusetzen ist", hieß es in der "Laudatio" auf den Preisträger.

"Gut gemeint, aber verfehlt"

Alles abgesegnet von der NRW-Landesbeauftragten für den Datenschutz, entgegnete gestern Uni-Sprecher Tibor Werner Szolnoki, wetterte gegen die "Selbstinszenierung von denen" und befand: "Ansonsten schätzen wir die Verleihung in unserem Fall ein als ´gut gemeint, aber in der Sache verfehlt´."

Dabei hat der Foebud in der Vergangenheit auch unumstrittene Verdienste erworben: Der Metro-Konzern, einer der Preisträger 2003, sah sich in diesem Frühjahr gezwungen, die flächendeckende Warenauszeichnung mit "RFID-Chips" zu stoppen, mit denen sich das Kaufverhalten eines jeden elektronisch ausspionieren lasse. Und das Rabattkartensystem Payback etwa musste 2001 seine Datenschutz-Regelungen überarbeiten- nachdem Verbraucherverbände nach der Big Brother Award-Verleihung darauf drängten.

Welche Folgen die diesjährigen Preise haben, bleibt abzuwarten. Bedacht wurden:

# die Firma Canon, die Farbkopierer mit unsichtbaren Kennnummern versieht, die ohne Wissen der Anwender stets mitkopiert werden.

# der Tchibo Direct-Versand, der zwar vertrauliche Behandlung persönlicher Kundendaten versichere, die Anschriften aber angereichert am Adressenmarkt weiterverkaufe.

# Bundes-Gesundheitsministerin Schmidt wegen der Gesundheitsreform. Weil durch Umstellungen bei der Kostenabrechnung die Krankenkassen seit 1. Januar ein lückenloses Krankheitsprofil sämtlicher Mitglieder erhalten.

# die Bundesagentur für Arbeit für die Anträge zum Arbeitslosengeld II, "der Unwilligkeit, die Fragebögen vor 2005 datenschutzgerecht zu überarbeiten" und wegen "der vermuteten Zugriffsmöglichkeit auf die Daten der Arbeitssuchenden von sämtlichen Arbeitsagenturen aus bundesweit."

# # Bundesjustizministerin Brigitte Zypries für das Festhalten am Großen Lauschangriff, und die Supermarkt-Kette Lidl, die der Jury als "besonders auszeichnungswürdig" erschien, wegen heimlicher Videoüberwachung in einigen Filialen.

Wer die Verleihung gestern über die erstmals angebotene Live-Videoübertragung verfolgen wollte, ging aber leer aus. Das System, vom Foebud ausdrücklich angepriesen, funktionierte nicht. Dirk Teubner in Gladbeck hätte so schon gerne dem Treiben beigewohnt. Aber den Preis annehmen, "das mache ich nicht". (NRZ) www.bigbrotherawards.de 29.10.2004 DAGOBERT ERNST

Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung, Essen , 29. Oktober 2004
Original: http://www.nrz.de/nrz/nrz.region.volltext.php?kennung=on2nrzNRWNRWNational38288&zulieferer=nrz&kategorie=NRW&rubrik=NRW®ion=National&auftritt=NRZ&dbserver=1

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