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Der "Große Bruder" studiert mit

Datenschutz-Negativpreis für die Uni Paderborn

Paderborn/Bielefeld. Einmal im Jahr blicken Datenschützer aus ganz Deutschland auf Bielefeld, wo der Verein "FoeBuD" seine "Big Brother Awards" – Negativpreise für fahrlässigen Umgang mit Datenschutz – verleiht. Der regionale Preisträger kommt diesmal aus Paderborn, heißt Professor Nikolaus Risch und ist Rektor der Universität.

Die "Big Brother Award"-Initiatoren übten bei der Preisverleihung gestern Abend in Bielefeld herbe Kritik an der Video-Überwachung von Hörsälen und Rechnerräumen der Uni: "Professor Risch manifestiert mit seinen Video-Kameras den Irrglauben unserer Zeit, dass ,Überwachung‘ mit ,Sicherheit‘ gleichzusetzen ist. Die Kameras seien dazu da, den Diebstahl von Rechnern und Beamern zu verhindern, lautet die öffentliche Begründung." Damit sei Risch, ein Vertreter der deutschen Bildungselite, auf die Propaganda der "Sicherheits-Industrie" hereingefallen, hieß es in der "Laudatio".

Videokameras würden keine Diebstähle verhindern, dafür gebe es Schlösser, Seile und Metallbügel. Videokameras seien teuer und passiv, zeichneten nur auf und könnten nach getaner Tat eventuell als Beweismaterial verwendet werden. "Aber Videokameras verletzen die Privatsphäre Ihrer Studierenden, der jungen Menschen, für deren freie geistige Entwicklung Sie verantwortlich sind", so der Appell der Datenschutz-Aktivisten.

Die Vorwürfe hält Uni-Sprecher Tibor Werner Szolnoki für falsch: "An der Universität Paderborn hat man sich seit vielen Jahren intensiv mit Fragen des Datenschutzes beschäftigt.Fragen der Sicherheit spielen in weiten Bereichen der Gesellschaft eine große Rolle. Auch in den Hochschulen haben bedauerlicherweise seit längerem Diebstähle, Sachbeschädigungen und körperliche Gewalt zugenommen."

Die Uni habe deshalb ein Konzept entwickelt und eine Reihe von Maßnahmen getroffen – wo erforderlich, also insbesondere bei der Videoüberwachung, habe man diese mit Experten abgestimmt. "Das Konzept", sagt Szolnoki, "hat bereits zu Erfolgen geführt. Seit der Installation der Videoüberwachung wurden keine Beamer mehr gestohlen." Außerdem seien die Kameras in den jeweiligen Hörsälen nicht schwenkbar und nur auf den Beamer und das unmittelbare Umfeld gerichtet. Die Daten würden im Sachgebiet Informationstechnische Dienste der Uni-Verwaltung aufgezeichnet; zugriffsberechtigt sei nur ein kleiner und ausgewählter Personenkreis: "Bei jeglicher Auswertung oder Einsichtnahme werden die Personalräte und das Justiziariat beteiligt."

Während man an der Uni fest davon überzeugt ist, dass der Preis in diesem Fall die Falschen erwischt hat, sind die FoeBuD-Aktivisten anderer Meinung: "Die Uni Paderborn hat den Preis besonders verdient." Weil Rektor Risch seiner Vorbildfunktion nicht nachgekommen sei, sondern im Gegenteil – "genauso bedenkenlos wie jeder kleine Bürgermeister, Ladenbesitzer, Stadtrat oder Parteipopulist" – Überwachungsinstrumente zulasse, erhalte er den Award.

NICOLE HILLE-PRIEBE

Neue Westfälische, Bielefeld , 29. Oktober 2004
Original: http://www.nw-news.de/nw/lokale_news/paderborn/paderborn/?sid=d593ecae73d6a42e1ca6d96575bb9132&cnt=269410

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