Der "Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs" (FoeBud) vergab Preise in fünf Kategorien. Zwei Bundesminister erwarben sich zweifelhafte Meriten.
Es steht nicht gut um den Datenschutz in Deutschland. Unternehmen spitzeln fleißig ihre Mitarbeiter aus. Im Internet werden Daten der Nutzer hemmungslos gesammelt und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) arbeitet fleißig an seinem Lieblingsthema, der Onlinedurchsuchung - auch wenn die CDU-FDP-Koalitionäre gerade beschlossen haben selbige etwas abzumildern.
Genug Kandidaten also für den "BigBrother Award", den Negativ-Oscar für "Datenkraken". Freitagabend wurde er vom "Verein zur Förderung des öffentlichen Datenverkehrs" (FoeBud) mit Sitz in Bielefeld zum zehnten Mal verliehen.
Zum Geburtstag gab’s ein schriftliches Grußwort von Ex-Innenminister Wolfgang Baum, der gratulierte und betonte: "Sie haben in den vergangenen zehn Jahren Pionierarbeit geleistet." Mit den BigBrother Awards sei es gelungen, die Gefährdungen der Grundrechte sichtbar zu machen. Baum sprach sich zudem für eine umfassende Modernisierung des Datenschutzrechts aus und rief dazu auf: "Für die Freiheit zu kämpfen."
Das hörten die Organisatoren Rena Tangens und padeluun von FoeBud gerne und machten sich an die Verleihung. Zwei Awards gingen in die Politik. Der bereits erwähnte Bundesinnenminister, Wolfgang Schäuble, wurde für sein Lebenswerk geehrt. Schäuble erhalte die Negativ-Auszeichnung "für den Umbau des Bundeskriminalamts in ein zentrales deutsches FBI mit geheimpolizeilichen Befugnissen zur präventiven Vorfeldausforschung, für die Legalisierung der heimlichen Online-Durchsuchung und für die Einrichtung einer gemeinsamen Antiterrordatei", so die Jury. Laudator Rolf Gössner betonte: "Schäuble hat sich in seiner Amtszeit alles in allem als Architekt eines präventiv-autoritäten Sicherheitsstaates betätigt."
Schäubles Parteifreundin und Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen wurde vor allem für ihre Initiative zur Kontrolle von Kinderpornographie im Internet mit einem BigBrother Award geehrt. Sie habe ein "System zur Inhaltskontrolle im Internet vorangetrieben, das zu einer Technik von orwellschen Ausmaßen heranwachsen kann", lautet die Begründung der Jury. Alvar Freude betonte in ihrer Laudatio: "Die Sperren sind nicht nur untauglich, sondern kontraproduktiv."
Angeprangert wurden im Bereich Wirtschaft gleich acht Firmen, die Überwachungstechnik für Internet und Telefon anbieten. Aber auch im Sport gab es dieses Jahr einen "Datenkraken" auszuzeichnen. Das Berliner Organisationskomitee der Leichtathletik-WM erhielt einen Award für die umfassende Durchleuchtung von Journalisten, die sich akkreditieren lassen wollten. Laudator Frederik Roggan: "Dieses Vorgehen widerspricht eklatant den Grundlagen einer freien Presse."
Im Bereich Arbeitswelt kritisiert die Jury, "den Wahn zahlreicher Unternehmen, man erhielte produktive und motivierte Mitarbeiter, wenn man sie nur möglichst flächendeckend und umfassend überwachte". Das Gegenteil sei der Fall, betonte Laudatorin Karin Schuler und zitierte aus einer Studie der Uni Bonn: "Die meisten Menschen tun mehr als sie müssen, es sei denn, sie werden bei ihrer Arbeit kontrolliert." Schuler verwies auf Unternehmen wie die Deutsche Bahn, die Deutsche Post, die Deutsche Telekom, aber auch Lidl und KiK die wie zahlreiche andere ihre Mitarbeiter ausgespäht hätten. Doch den Award sprach die Jury nicht ihnen zu, sondern dem Landmaschinenhersteller Claas aus Harsewinkel. Der habe seine Mähdrescher mit einem satellitengestützten Trackingsystem ausgestattet, das auch die Überwachung der Fahrer erlaube. Ein "kurioses digitales Gängelband" nannte Schuler diese Möglichkeit und vergab den Negativ-Preis.
Doch abholen mochte seinen Award keiner der "Geehrten". Und so blickten die FoeBud-Macher zwar auf einige Erfolge zurück an diesem Abend, aber waren sich auch sicher: "Es gibt weiterhin viel zu tun gegen Datenkraken."
STEFAN BRAMS
Neue Westfälische, Bielefeld, 17. Oktober 2009
Original: http://www.nw-news.de/owl/3192989_Datenschuetzer_verleihen_Ursula_von_der_Leyen_und_Wolfgang_Schaeuble_den_BigBrother_Award.html?em_index_page=1