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Microsoft erhält "Big Brother"-Award für sein Lebenswerk

28. Okt 10:01

Mit den Big Brother Awards werden jährlich Firmen, Politiker und Behörden bedacht, die Datenschutz und Privatsphäre besonders beeinträchtigen. "Hauptsieger" 2002 wurde Microsoft.

Bei der Preisverleihung des Big Brother Awards am Freitag gab es wenig Überraschungen. Dennoch: das Anliegen der Veranstalter, im Internet und im allgemeinen Lebensumfeld eine gesicherte Privatsphäre und datenschutzrechtliche Mindeststandards zu erhalten, kam deutlicher denn je zum Ausdruck.

Hinter dem Anti-Preis stehen bekannte Internet-Organisationen wie der Chaos Computer Club, Foebud e.V. und die deutsche Vereinigung für Datenschutz.

Digitales Rechtemanagement

Der Hauptpreis sowie der Preis für das "Lebenswerk" ging 2002 an den weltgrößten Softwarekonzern Microsoft. Vor allem, so Laudator Patrick Goltzsch vom Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft, wegen der ausgefeilten "Digital Rights Management"-Mechanismen in Windows-Programmen wie dem Windows Media Player, aber auch, weil die Firma aus dem PC des Nutzers einen "Copyright-Polizisten" machen wolle.

Die Jury kritisiert damit vor allem das "Trusted PC"-Vorhaben Microsofts (Codename "Palladium"). Mit dem Trusted PC sollen digitale Inhalte konsequent geschützt und "personalisiert" werden - was jedoch eine Missachtung der Privatsphäre zur Folge hat. Den Big Brother-Preis erhielt Microsoft ebenfalls, weil der Software-Hersteller seit Jahren unsichere Betriebssysteme liefere, die Viren und Würmern Nahrung böten.

Ein Abgesandter von Microsoft Deutschland war anwesend; Datenschutzbeauftragter Sascha Hanke nahm den Preis der Jury entgegen und versprach, die Vorhaben der Firma künftig "besser zu kommunizieren".

Drogentests bei Bayer

In der Kategorie "Arbeitswelt" wurde die Bayer AG ausgezeichnet, weil sie ihren künftigen Auszubildenden einen Drogentest abverlange. Diese Urinprobe könne zwar auch verweigert werden - wer dies tue, habe aber "schlechte Karten".

Im Bereich "Politik" gewann Hessens Innenminister Volker Bouffier. Er habe mit Hilfe einer Polizeirechtsnovelle die Voraussetzungen für eine Rasterfahndung erheblich herabgesetzt. Bouffier stehe stellvertretend für andere Landesinnenminister, die nach den Anschlägen am 11. September ihre Polizeigesetze "ad hoc" ergänzt hätten.

Im Sektor "Verbraucherschutz" wurde die Deutsche Post AG geehrt: Sie pflege einen datenschutzwidrigen Umgang mit Adressangaben bei Post-Nachsendeanträgen.

Lauschgesetz des Bundesrates

Preisträger in der Kategorie "Kommunikation" wurde der Deutsche Bundesrat für seine Zustimmung zu einem von Datenschutzbeauftragten stark kritisierten Beschluss. Demnach sollen künftig Verbindungsdaten (Telefon, Internet) für einen nicht festgelegten Zeitraum gespeichert werden können.

Im Segment "Technik" wurde die Toll Collect GmbH ausgezeichnet, die das neue LKW-Mautsystem plant. Die Firma mache eine "neue Dimension der Überwachung von Verkehrsteilnehmern" möglich.

Das Bundeskriminalamt siegte in der Kategorie "Behörden und Verwaltung", weil es drei so genannte Präventivdateien angelegt habe, die gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstießen.

Ein "Regionalpreis" ging zudem an NRW-Innenminister Fritz Behrens, der auf "undurchsichtige Weise" versucht habe, sein Polizeigesetz um Möglichkeiten der Videoüberwachung zu erweitern. Zu den Nominierten, aber nicht zu den Ausgezeichneten zählte auch der Düsseldorfer Regierungspräsident Jürgen Büssow, der wegen Versuchen von Internet-Zensur in der Kritik der Szene steht. Die "Big Brother Awards" wurden am Wochenende auch in Österreich verliehen; am Dienstag folgt die Schweiz.

Netzzeitung, 28. Oktober 2002
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