Erfurt/Bielefeld. Otto Schily hat ihn im Regal stehen. Die Amtskollegen Volker Bouffier (Hessen) und Ex-Innensenator Eckart Werthebach (Berlin) ebenfalls. In diesem Jahr wurde der Negativ-Preis der deutschen Datenschützer, der "Big-Brother-Award" im Bereich Politik, Thüringens Innenminister Andreas Trautvetter (CDU) zuerkannt.
Gründe für die Verleihung gab es aus Jurorensicht mehr als ausreichend: Die weit reichenden Befugnisse in der Polizeigesetzgebung des Freistaats, präventiv Telefone und Wohnungen abzuhören und Bewegungsprofile von Handy-Benutzern zu erstellen "machen einem präventiven Überwachungsstaat alle Ehre", so Laudator Rolf Gössner von der Internationalen Liga für Menschenrechte gestern in Bielefeld. "Solche Regelungen sind in ihren Auswirkungen tendenziell uferlos, kaum kontrollierbar und daher unverhältnismäßig." In diesem zur Maßlosigkeit neigenden Präventionskonzept würden immer mehr unverdächtige Menschen polizeipflichtig gemacht und in Ermittlungsmaßnahmen involviert, von denen die zahlreichen Betroffenen in aller Regel nichts bemerken würden.
Ebenfalls wegen ihrer Datensammelwut ausgezeichnet wurden gestern in Bielefeld die Regierung der USA, das Management der Gebühreneinzugzentrale und die Deutsche Post AG. Botschafter Daniel Coats nahm die Auszeichnung für sein Land in der Kategorie Behörden entgegen, für die Nötigung der USA, dass Fluggesellschaften die persönlichen Daten ihrer Passagiere herausrücken müssen, selbst wenn diese das Land nur durchreisen wollen. Die Deutsche Post wird für ihre Idee mit dem diesjährigen Hauptpreis geehrt, ihre Mitarbeiter zu verpflichten, ihren Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden, wenn sie länger als zwei Wochen krank sind.
Die Metro AG konnte sich über den ersten Platz im Bereich Verbraucherschutz freuen. Das Unternehmen setzt auf weiter entwickelte Barcodes an der Supermarktkasse, mit deren Hilfe in Verbindung mit Scheckkarten genaue Konsumentenprofile der Kunden erstellt werden können. Das Pilotprojekt dieses Supermarktes der Zukunft läuft bereits in Duisburg - mit Claudia Schiffer als blond-sympathischem Werbeträger.
Die geballte Kritik an Behörden, Firmen und Institutionen symbolisiert ein etwa 40 Zentimeter kleines Männlein. Das wird von einer Datenscheibe in zwei Teile getrennt und von Bleibändern zusammen gehalten. Der "Oscar für die schlimmsten Datenkraken" kommt mit getragener Symbolik daher. Thüringens Innenminister hat den Preis zwar erhalten, aber nicht entgegen genommen. "Die Entscheidung, Trautvetter den Preis zu verleihen, ist bereits vor dem Ärger mit der Videoüberwachung in Weimar erfolgt", bestätigte eine Sprecherin des Organisationsbüros gestern auf Anfrage. Und schon weit vorher habe Trautvetter seine Teilnahme ohne Begründung abgesagt.
Nach heftiger Kritik hat der Minister (CDU) die Videoüberwachung in Weimar mittlerweile komplett gestoppt. Die drei Kameras am Goetheplatz würden endgültig abgebaut und alle Daten gelöscht, teilte Trautvetter gestern in Erfurt mit.
Matthias Thüsing
Osterländer Volkszeitung, 26. Oktober 2003
Original: http://www.ovz-online.de/regional/regional_texte/15572.html