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Preis für schwarze Daten-Schafe

"Der Big Brother Award" für Datensünder

An prominenten Preisträgern mangelte es nicht, als am vergangenen Donnerstag in Deutschland, Österreich und der Schweiz die Big Brother Awards 2000 verliehen wurden. Die Gewinnern blieben den Preisverleihungen jedoch lieber fern und schickten meist nicht einmal eine Erklärung an die Preisverleiher. Grund für das unfeine Benehmen: Die Auszeichung gab's für Firmen, Institutionen und Einzelpersonen, die durch Datenmissbrauch oder Verletzung von Bürgerrechten die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen.

Die Preisverleihungen in Deutschland und der Schweiz waren Premieren. In Österreich waren bereits 1999 Big Brother Awards verteilt worden. Die dortigen Ausrichter hatten entsprechend auch die professionellste Website der drei nationalen Komittees aufzuweisen und übertrugen Preisverleihung und anschließende Party per Videostream ins Netz.

Undurchsichtig: Die Payback-Karte

In Deutschland ging es ernster zur Sache: Der Preis solle vor allem als Anstoß zur Diskussion dienen, so die Meinung des Haupt-Initators FoeBud e. V. aus Bielefeld. Beteiligt waren an der Organisation außerdem die Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V., der Chaos Computer Club e.V. und FITUG e.V. Eine von ihnen bestimmte Jury sichtete und überprüfte die bis Ende September eingegangenen Nomierungsvorschläge. Ausgezeichnet wurden auf der Preisverleihung am vergangenen Donnerstag in Bielefeld schließlich Datensünder in sieben Kategorien: Im Bereich Business und Finanzen ging der deutsche Big Brother Award - eine mit einem Bleiband gefesselte und von einer Glasscheibe zerteilte Figur - an Loyalty Partners, das Unternehmen hinter der "Payback"-Rabattkarte. Die "Payback"-Karte, die Verbraucher an Tankstellen, in Supermärkten oder bei der Lufthansa mit Preisnachlässen lockt, diene vor allem der Sammlung von personalisierten Kundendaten, begründete die Jury ihre Wahl. Die Verbraucher würden darüber nicht informiert, die Geschäftspraktiken bewußt verschleiert, kritisierte die Jury weiter.

Für höchst undurchsichtig und daher preiswürdig befand die Jury auch die Videoüberwachung auf Bahnhöfen der Deutsche Bahn AG: Was und wozu DB, Polizei und Bundesgrenzschutz dort beobachteten und aufzeichneten, entziehe sich jeder Kontrolle (Kategorie Behörden und Verwaltung). Berlins Innensenator Eckard Werthebach (CDU) bekam den Award in der Kategorie Politik. Er hatte sich zuletzt Anfang September für einen umfangreichen Ausbau der Telefonüberwachung in der Hauptstadt stark gemacht.

Der Freemail-Betreiber GMX aus München bekam die Quittung für zwei folgenschwere Pannen im Juli 2000: 118.000 Kunden des Mailanbieters waren von Postverlusten betroffen, weil GMX bei Serverarbeiten pfuschte. Wenig später knackten Hacker die Paßwörter von mehr als 1600 Kunden. GMX sei nicht ausreichend gegen eine solche Attacke gesichert gewesen, obwohl gerade erst die Freemail-Services von Lycos und Web.de ähnlichen Angriffen zum Opfer gefallen waren, hieß es in der Begründung. Auch das GMX - allerdings auf freiwilliger Basis - Kundendaten zur zielgruppenspezifischen Werbung erhebt, gefiel der Award-Jury nicht.

Für langfristige Schwächung der Privatsphäre und der persönlichen Grundrechte verpasste die Jury dem Bundesverwaltungsamt in Köln den "Lifetime Award": Das von der Behörde geführte Ausländerzentralregister - eine Datenbank mit den Angaben zu mehr als zehn Millionen Personen - sei eine behördliche Diskriminierung nicht-deutscher Bürger, sagte Jury-Mitglied Thilo Weicherte, stellvertretender Datenschutzbeauftrager Schleswig-Holsteins. Seiner Einschätzung nach verstößt das Register gegen das Gesetzt zur informationellen Selbstbestimmung und den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Außerdem vergab die Jury einen "Szenepreis" an den Hersteller des Webservers Apache -desse Standardkonfiguration nach Meinung des Gremiums zuviele Userinformationen preisgeben- und zur regionalen Anbindung eine Trophäe für die Region Ostwestfalen-Lippe.

FPÖ liegt in Österreich vorne

Wenig überaschend gingen gleich mehrere der österreichischen Big Brother Awards an die FPÖ und ihr Umfeld: Ausgezeichnet wurde so Justizminister Dieter Böhmdorfer, der seine Bereitschaft erklärt hatte, oppositionelle Meinungsäußerungen strafrechtlich zu verfolgen. Ebenfalls einen Big Brother Award wert waren der östereichischen Jury die Aktivitäten der FPÖ-nahen Polizeigewerkschaft AUF (Aktion unabhängiger Freiheitlicher): Der ehemaligen AUF-Chefs Josef Kleindienst hatte jüngst enthüllt, dass AUF-Mitglieder auf Wunsch von FPÖ-Funktionären diese aus den Polizeicomputern mit umfangreichen Auskünften über politische Gegner und andere missliebige Personen versorgten: Dazu gehörten auch unbestätigten Hinweise auf Straftaten.

In der Kategorie "People's Choice", der nicht von der Jury vergeben wurde, entschieden sich die Abstimmungsteilnehmer für die FPÖ als Gesamtpartei. In der Sparte "Business" bekam die Handelskette Saturn den Award: Wer an ihren Kassen mit Karten zahlt, gibt damit laut Geschäftsbedingungen automatisch eine "unwiderrufliche Erlaubnis zur Weitergabe" seiner Kundendaten. Den meisten Kunden ist dieses nicht eimal bewusst. Im Bereich Telekommunikation "ehrte" die österreichische Big-Brother-Jury einen Kandidaten auf europäischer Ebene: Die Arbeitsgruppe "Lawful Interception" des "European Telecom Standard Institute". Dort würden Telekommunikationsunternehmen und Technikhersteller wie Siemens, Ericsson und Alcatel nicht nur die künftigen Standards der europäischen Datenübertragung beraten, sondern zugleich freimütig mit Polizei- und Geheimdiensten deren Überwachung besprechen, hieß es zur Begründung.

Schweizer Big-Brother-Awards für Horchposten und Urin-Überwachung

Überwachungsbestrebungen ahndeten auch die schweizer Preisverleiher, die "Swiss Internet User Group" (SIUG), das Kulturzentrum"Rote Fabrik" in Zürich und das "Archiv Schnüffelstaat Schweiz". Gewinner waren das Militärdepartement der Bundesregierung (für die Einrichtung des Satelliten-Horchpostens SATOS-3) und der langjährige Chef der Bundespolizei, Urs van Däniken. Abgestraft mit einem Award wurde weiterhin der Chemiekonzern Hoffmann-La Roche, der seinen Lehrlingen alle sechs Monate eine Urinprobe zwecks Drogenüberprüfung abverlangt.

Schließlich setzten sich die Schweizer als einziges der drei deutschsprachigen Kommitees auch mit der Fernsehvariante von "Big Brother" auseinander: Die populäre Containershow sei eine "Verharmlosung" totaler Überwachung, befand die Jury. Dementsprechend gab es einen Award für den Sender TV 3, der die Show in der Schweiz ausstrahlt. Neben diesen vier negativen Preisen wurde mit dem "Winkelried Award" auch "besonders lobenswerter Widerstand gegen Überwachung und Kontrolle" prämiert: Geehrt wurden zwei Verwaltungsmitarbeiter, die gegen Datenmissbrauch in ihren Behörden protestiert hatten und daraufhin entlassen wurden und ein Journalist der Zürcher "Weltwoche".

In Großbritannien, wo der Big Brother Award 1998 erstmals verliehen wurde, wurden in diesem Jahr noch keine Auszeichnungen vergeben. Die USA preschten dagegen bereits im April 2000 vor. Vor großen Namen schreckte Organisator Privacy International auch hier nicht zurück: An den Pranger gestellt wurde unter anderem DoubleClick. Die Firma, einer der größten Vermarkter für Bannerwerbung, würde das Nutzungsverhalten von 50 Millionen Internet-Surfern ausspähen, so der Vorwurf. Wie in der Schweiz gab es auch hier positive Preise für Vorkämpfer des Datenschutzes, benannt nach Louis Brandeis, einem ehemaligen Richter des Obersten Gerichtshofs der USA.

Politik Digital, 30. Oktober 2000

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