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BigBrotherAward an Google: “there is an elephant in the room”

Der Verein “digitalcourage” (früher Foebud.e.V) aus Bielefeld ermittelt alljährlich unter Mithilfe der Bevölkerung die schlimmsten Datenkraken. Am 12. April 2013 wurden die BigBrotherAwards genannten Negativpreise in Bielefeld vergeben. Datensauger Google erwischte einen dieser Preise. Und zwar in der Kategorie “Globales Datensammeln”. Zum Nachdenken soll auch der kritische Preis in der Kategorie “Behörden & Verwaltung” Anlass sein. Hier wurde das etwa bei der Polizei in Anwendung kommende “Racial Profiling” in kritisches Licht gerückt. Dabei werden Personen nur aufgrund ihres Aussehens bzw. ihrer Hautfarbe ohne konkret vorliegenden Verdacht polizeilich kontrolliert.

Am vergangenen Freitag war es wieder soweit: In Bielefeld sind die diesjährigen Oskars für Datenkraken benannt worden. Die BigBrotherAwards genannten Negativauszeichnungen wurden am 12. April 2013 vom Verein “digitalcourage” (vormals Foebud.e.V.) präsentiert.

Die Preisträger (via “digitalcourage”) – BigBrotherAwards 2013

Der BigBrotherAward 2013 in der Kategorie Arbeitswelt geht an die Apple Retail Germany GmbH in München für die umfassende Videoüberwachung von Beschäftigten. Das Unternehmen betreibt die Apple Stores in Deutschland.

In der Kategorie „Globales Datensammeln“ geht der BigBrotherAward an Google Inc., Mountain View, USA. Unter dem Deckmantel einer Suchmaschine und anderen Gratis-Diensten wie Maps, Docs und YouTube sammelt der Werbekonzern Google auf Schritt und Tritt Echtzeit-Daten über alles und jeden und kategorisiert Menschen für seinen Werbeprofit. Google missachtet europäisches Recht und nutzt seine marktbeherrschende Stellung, um die technokratische Ideologie eines allwissenden Supercomputers voranzutreiben, der besser weiß, was Menschen wollen als sie selbst.

Der BigBrotherAward 2013 in der Kategorie Wirtschaft geht an die Deutsche Post Adress GmbH und Co KG. In tausenden Postfilialen und im Internet geben jährlich Millionen Menschen in Deutschland Ihre Adress- und Umzugsdaten an. Diese bilden den Grundstock für die ständige Aktualität des Adressdatenbestands der Deutschen Post Adress GmbH. Und die verkauft ihre landesweite Ortskenntnis an zahlende Kunden weiter. Wer keinen Nachsendeantrag stellt, dem ist die Adressenrecherche der Preisträgerin trotzdem auf den Fersen, wenn es der werbenden Wirtschaft oder dem Forderungseinzug dient, notfalls sogar bis ans eigene Telefon.

Der BigBrotherAward 2013 in der Kategorie Behörden & Verwaltung geht an die Bundespolizei, vertreten durch ihren Präsidenten Dieter Romann, für Polizeikontrollen, bei denen Personen aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes (Hautfarbe oder andere biologische Merkmale, ethnische Zugehörigkeit, nationale Herkunft, Religion, Sprache) gezielt aus einer Menschenmenge herausgegriffen werden, um ihre Personalien festzustellen und sie zu überprüfen. Diese verbreitete Praxis rassistischer Rasterungen nennt man „Racial“ oder „Ethnic Profiling“; auf verdächtiges Verhalten oder objektive Indizien als Verdachtsmomente kommt es bei dieser Kontrollpraxis nicht an.

Der BigBrotherAward in der Kategorie Politik geht an die Ministerpräsidenten der 16 deutschen Bundesländer für die Einrichtung des Gemeinsamen Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio als Nachfolger der GEZ. Seit Anfang Januar sind Rundfunkbeiträge nicht mehr für Geräte, sondern pro Wohnung zu entrichten. Dabei haben die Autoren des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages die Chance verpasst, eindeutige, personenunabhängige Regelungen zu entwickeln. In der mehrjährigen Übergangsphase verarbeitet der neue Beitragsservice sogar viel mehr Daten als zuvor die GEZ. Die rechtliche Grundlage der Datenverarbeitung ist für Juristen zumindest zweifelhaft.

(Information über digitalcourage/BigBrotherAwards 2013; Näheres hier.)

BigBrotherAwards kommentiert:

Wenn auch die meisten von uns vom “Racial Profiling” nicht betroffen sein dürften: Diese problematische, aber durchaus gängige Polizeipraxis (ich selbst wurde schon Zeuge einer solchen Kontrolle) sollte wir nicht einfach widerspruchlos hinnehmen und dementsprechend ablehnen. Vielleicht hilft dabei die Vorstellung wie wir uns wohl in einem der afrikanischen Staaten oder einem asiatischen Land von der Polizei aus der Masse der Passanten nur herausgepickt werden und kontrolliert würden, weil wir eine weiße Hautfarbe haben bzw. eine “Langnase” sind. Hierzulande werden gerade Menschen mit dunkler Hautfarbe oft mit Drogenhandel in Verbindung gebracht. Und dass, obwohl gewiss die Mehrzahl dieser Mitbürger mit schwarzer Hautfarbe keine Kriminellen sind. Bei der Arbeit von Polizei und Ordnungsämtern muss es einfach mustergültig werden, eine Sensibilität im Umgang mit allen Menschen zur unbedingten Normalität werden zu lassen. Das fängt schon bei der Sprache an. Ich erlebte das bei der Beobachtung der Arbeit von Ordnungsamtmitarbeiterinnen. Diese sprachen von Drogendealern und im gleichen Atemzug (vielleicht? unbedacht) von “Schwarzfüßen”.

Am allermeisten dürften viele von uns aufmerken, wenn sie erfahren, dass der BigBrotherAward in der Kategorie „Globales Datensammeln“ in diesem Jahr an Google Inc., Mountain View, USA gegangen ist. Oder auch nicht. Schließlich könnten wir wissen, dass Google ein gigantischer “Datensauger” vor dem Herrn ist, es jedoch nicht konkret bedenken. Und das im Einzelfall aber eben einfach verdrängen: Denn Google ist uns ja oftmals täglich mehrmals auch eine wirklich Hilfe. Wer wollte darauf verzichten? Was wäre die Alternative dazu? Ein Nachdenken über die Praxis von Google jedoch darüber sollte schon gelegentlich stattfinden. Womöglich wird es mit der Negativpreisverleihung an die Suchmaschine, die vermutlich längst mehr über uns alle weis als mancher Geheimdienst. Zumindest wäre es angebracht, wir gingen bei der Nutzung des Netzes insgesamt mit mehr Verstand ans Werk. Die Macht von Google dürfte für viele von uns so etwas sein, was die Engländer mit der Redewendung “there is an elephant in the room”. Was meint: da ist eine offensichtliche Tatsache, die jedoch übersehen wird.

Wir sollten also öfters einmal bewusster durchs Leben – und zwar nicht nur durchs digitale – marschieren. Einmal im Jahr wenigstens erinnert uns “digitalcourage” daran, das zu tun. Der Verein öffnet uns quasi mit der Ermittlung (unter Mitwirkung der Öffentlichkeit) und Präsentation der Datenkraken des Jahres die von anderem abgelenkten oder hier da gar mit (unbewusst) mit den sprichwörtlichen Tomaten auf den Augen.

Claus-Dieter Stille

readers-edition.de, Berlin, 15. April 2013
Original: http://www.readers-edition.de/2013/04/15/bigbrotheraward-an-google-there-is-an-elephant-in-the-room/

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