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Landesregierung Rheinland-Pfalz erhält Negativpreis:

"Big Brother"-Trophäe für Lausch-Exzesse

Mainz - Den Negativ-Preis "Big Brother Award" für Eingriffe in die Privatsphäre der Bürger haben Datenschutz- Aktivisten unter anderem der rheinland-pfälzischen Landesregierung zuerkannt. Wie die Regierungen von Bayern, Niedersachsen und Thüringen bekamen die Mainzer den Negativ-Preis, weil sie "im Windschatten der Terrorismusbekämpfung" die Landespolizeigesetze drastisch verschärft hätten und damit in elementare Grundrechte eingriffen.

Die Länder kalkulieren nach Ansicht der Jury drastische Einschnitte in die Grund- und Freiheitsrechte unverdächtiger Personen ein. Davon betroffen seien unter anderem das Recht auf informelle Selbstbestimmung sowie das Brief- und Fernmeldegeheimnis. Bedroht seien das Brief- und Fernmeldegeheimnis und das Recht auf freie Kommunikation ohne Angst vor Repressalien. Zu den erweiterten Überwachungsmöglichkeiten zählen auch den Einsatz von IMSI-Catchern und der automatischen Kennzeichenabgleich an der bayerischen Grenze mit einer Technik, die in ähnlicher Form auch bei der LKW-Maut zum Einsatz kommt.

Namhafte Preisträger

Weitere Preisträger der Negativ-Auszeichnung sind namhafte Unternehmen wie die Deutsche Post, die Handelsgruppe Metro und der Internetanbieter T-Online. Auch die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) sowie der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) wurden in Bielefeld für ihren Umgang mit vertraulichen Angaben kritisiert. Der Big Brother Award wird von verschiedenen Organisationen in 17 Ländern verliehen. In der deutschen "Big Brother Award"-Jury sind unter anderem die Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD), der Chaos Computer Club (CCC) und die Internationale Liga für Menschenrechte. Ausrichter ist der Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (Bielefeld).

Nach Angaben der Jury habe etwa die Deutsche Post AG ihre Aushilfskräfte in Postagenturen vertraglich verpflichtet, bei mehr als zwei Wochen Krankheit einen vorbestimmten Arzt aufzusuchen und von der Schweigepflicht zu entbinden. Die Metro-Gruppe teste seit April 2003 im Experimental-Supermarkt "Future Store" in Rheinberg bei Duisburg eine neue Chip-Technologie, die in der Zukunft das Bezahlen mit Bargeld ersetzen soll. Diese Technik sei zwar praktisch, ermögliche aber auch die Identifizierung der Kunden und berge damit sehr große Risiken für die Privatsphäre der Verbraucher in sich.

Ungehemmtes Speichern bei T-Online

T-Online wurde für das Speichern von IP-Adressen ihrer Kunden mit dem so genannten Flatrate-Tarif gerügt. Die anonyme Nutzung des Internets werde damit völlig untergraben. Polizei und Geheimdienste hätten Zugriff zu diesen persönlichen Angaben. T-Online sei nicht der einzige Internet-Anbieter, der so vorgehe, sollte aber nach Ansicht der Juroren mit gutem Beispiel vorangehen. T-Online wies die Kritik zurück und betonte, die Daten würden rechtskonform und branchenüblich für Rechnungsfragen und Virenprobleme befristet gespeichert.

GEZ-Eindringlinge abgemahnt

Die GEZ wurde "für deren unermüdlichen Einsatz bei der bedingungslosen Ermittlung Schwarzseherinnen und Schwarzhörern" mit dem Preis versehen. "Die GEZ und die Gebührenbeauftragten der Rundfunkanstalten sammeln in einem Übermaß Daten, dringen unter Überrumpelung von Menschen in deren Wohnung ein und nötigen die Menschen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zur Offenbarung der eigenen Daten". Behörden und Adresshändler unterstützten die Suche.

Auch Berlins Innensenator Körting bekam den Preis verliehen. Dabei geht es um den polizeilichen Einsatz von "stillen SMS". Diese Handy- Kurznachrichten erlauben nach den Angaben der Jury die Ortung von Verdächtigen mittels einer Handy-Kurznachricht, ohne dass der Betroffene bemerkt, dass sein Telefon Signale empfängt und sendet.

Auch die US-Regierung wurde von den Datenschützern mit Hilfe der Auszeichnung kritisiert. Dabei prangerten die Organisatoren an, dass deutsche Fluglinien auf Druck der USA diversen amerikanischen Behörden Zugriff auf umfangreiche Buchungsdaten von Passagieren geben müssten, die in die Vereinigten Staaten einreisen wollen.

Rhein-Zeitung, 26. Oktober 2003
Original: http://rhein-zeitung.de/on/03/10/26/topnews/bigbrother.html

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