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Big Brother Award: Verleihung mit Live-Stream

Es wieder soweit: Zum 5. Mal werden die Big Brother Awards verliehen, einem Negativpreis für Unternehmen und Behörden, die es mit dem Datenschutz und der Privatsphäre nicht so genau nehmen. Dieses Jahr kann jeder live dabei sein: Via Internet-Live-Stream.

Oscar für Datenkraken

"Per Internet von Bielefeld in die Welt", das Zitat des Jury-Mitglieds Rena Tangens könnte als Motto der diesjährigen Veranstaltung gesehen werden. Denn der Live-Stream ist eine wichtige Neuerung bei der Verleihung der Big Brother Awards. Bisher mussten Interessierte extra anreisen, das fällt mit der diesjährigen Verleihung flach, wodurch sich auch das Spektrum der angesprochenen Klientel maßgeblich erhöht.

Der "Oscar für Datenkraken" ist nämlich der wohl wichtigste Anti-Preis für Datenklauber im deutschsprachigen Raum. Auch in diesem Jahr verteilt der FoeBuD e.V., Austräger des Big Brother Awards, satirische Rundumschläge gegen alle, bei denen Datenschutz klein geschrieben wird: Regional & Sozial

Acht Kategorien, acht Preisträger: So hat sich die Universität Paderborn bei den Datenschützern einen Namen in der Kategorie "Regionales" gemacht, genauer gesagt Prof. Dr. rer. nat. Nikolaus Risch. Er erhält den Preis für seinen Glauben an die "Sicherheits-Industrie", mit deren Hilfe er Rechnerräume und Hörsäle mit Video-Kameras ausgestattet hat. Ein Unding, darin sind sich die Datenschützer vom FoeBuD sicher. Denn Kameras dienen nicht der Verbrechensvermeidung, sondern nur der Abschaffung der Privatsphäre.

In der Kategorie "Gesundheit und Soziales" darf sich das Bundesgesundheitsministerium mit dem Big Brother Award schmücken: Die Gesundheitskarte und das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung dienen jedem Zweck, außer dem Datenschutz. Denn durch die Gesundheitskarte samt Gesetz wird den Krankenkassen eine lückenlose Überwachung der Krankheiten eines einzelnen ermöglicht - Daten, die besser nicht in die falschen Hände geraten sollten. Die Bundesagentur für Arbeit

Ebenfalls kritisch mit der Bundesregiertung: In der Kategorie "Behörden und Verwaltung" wird die Bundesagentur für Arbeit mit dem Big Brother Award honoriert. Mit den neuen Regelungen zur Arbeitslosigkeit sowie der Umbenennung des Arbeitsamtes in "Bundesagentur für Arbeit" hat sich die Behörde als Datenkrake etabliert:

Neben der Tatsache, dass Arbeitslose euphemistisch als "Kunden" bezeichnet werden stossen vor allen Dingen die Fragebögen, die zu sehr vertraulichen Angaben zwingen, übel auf. Auch die Verzögerung der datenschutzrechtlichen Überarbeitung der Fragebögen bis 2005 ist nicht gerade das, was man von einer Agentur mit Kunden erwarten würde.

Big-Brother-Attacken aus Regierungskreisen

Obendrein wird vermutet, dass bundesweit sämtliche Arbeitsagenturen Zugriff auf die Daten haben. Auch die Hausbesuche der Behörde, um beispielsweise die Lebensverhältnisse des Arbeitssuchenden zu prüfen, sind nicht eben im Sinne des Datenschutzes.

Und noch mehr Kritik an der Bundesregierung: In der Kategorie "Politik" darf sich die Justizministerin Brigitte Zypries über ihren ganz persönlichen Datenkraken-Award freuen: Trotz eines Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom 3. März 2004 möchte die Ministerin nicht auf den Lauschangriff als Instrument der Strafverfolgung verzichten. Laut FoeBuD "dient der Große Lauschangriff weniger der realen Verbrechensbekämpfung, als vielmehr der Einschüchterung von Menschen." Heißer Kaffee

Die Kategorie "Wirtschaft und Verbraucherschutz" hingegen befasst sich dieses Jahr mit Kaffee, allerdings mit heissem: Die Versandhändler der Tchibo direct GmbH hat sich einen Schitzer erlaubt, der wohl seinesgleichen sucht: Trotz der Beteuerung, die persönlichen Daten der Kunden vertraulich zu behandeln, wurden diese direkt über die Firma Arvato/AZ Direct auf dem Adressenmarkt angeboten. "Tausche Unterhose gegen Persönlichkeit" - für Tchibo offensichtlich ein guter Deal.

In der Kategorie "Technik" dürfen sich sämtliche Hersteller von Farbkopierern angesprochen fühlen. Nominiert ist Canon für eine Funktion, die bei jeder Kopie ein Wasserzeichen in Form eines unsichtbaren Barcodes auf dem Papier setzt. Dort wird die Seriennummer des Kopierers eingesetzt, wodurch sich jede Kopie zu ihrem individuellen Gerät zurückverfolgen lässt.

Kopier-Geschichten

Besonders unangenehm: Gefälschte Papiere oder Falschgeld können auf diesem Weg bis zu ihrer Quelle zurückverfolgt werden, im Zweifelsfall ein Bürokopierer oder ein Copy-Shop. Auf diese Weise könnten Verbrecher schneller dingfest gemacht werden, dafür werden aber sämtliche Nutzer des Kopiergerätes unter Generalverdacht gestellt. Entsprechende Anfragen von Ermittlungsbehörden wurden bereits gestellt. An den Geräten selbst fehlt ein Hinweis über die Prägung des Wasserzeichens.

Die Kategorie "Kommunikation" befasst sich dieses Jahr mit der Armex GmbH und ihrem System "Track your Kid". Das System erlaubt eine Überwachung des Kindes über das Handy, das es bei sich trägt: Eltern können jederzeit überprüfen, wo der Sprössling oder besser: Sein Handy sich gerade herumtreibt. Handy-Spionage

Preisträger in diesem Zusammenhang ist Dirk Teubner von Armex. "Um sein Produkt "Track Your Kid" zu verkaufen, nutzt er diffuse Ängste von Eltern aus und gibt ihnen ein Instrument in die Hand, das Kinder nicht zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern, sondern zu willigen Untertanen einer Kontrollgesellschaft erzieht" heisst es in der Laudatio von FoeBuD.

Zuguterletzt wird noch die Supermarkt-Kette Lidl abgestraft. In der Kategorie "Arbeitswelt" hat sich ihre Gründer Dieter Schwarz durch die heimliche Videoüberwachung von Angestellten einen Namen gemacht. Obendrein müssen Mitarbeiterinnen in deutschen und tschechischen Lidl-Filialen Stirnbänder tragen, damit sie auch außerhalb der Arbeitszeit auf Toilette gehen durften. Diese Vorgehensweise verstösst wohl so ziemlich gegen alles, was man normalerweise als "Persönlichkeitsrecht" bezeichnen würde. Livestream für jedermann

Die Verleihung des Big Brother Awards kann ab 16 Uhr live im Internet betrachtet werden. FoeBuD setzt dabei Standards und verzichtet bewusst auf Spionage-Tools wie Real-, Media- oder QuickTime-Player. Nur ein Java-fähiger Browser wird dafür benötigt.

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Original: http://www.sec-world.net/news/67963-big-brother-award-verleihung-mit.html

© WWW-Administration, 08 Mar 06